Jodelkurse und Workshops boomen derzeit. Jodeln macht den Kopf frei und beglückt im tiefsten Innern. Davon können Thomas Maria Reck und Dina Jost eins juuzen. Als «Echo vo dr Feldbergstrooss» schlagen sie Brücken – auch zwischen Gross- und Kleinbasel.

Vor zwanzig Jahren liess man sich ein Arschgeweih stechen und zog mit Nordic Walking-Stöcken durch den Wald, vor zehn Jahren krempelten plötzlich alle die Hosen hoch und rannten nach Feierabend zum Zumba. Heute strickt man, fermentiert Gemüse und jodelt. Das Traditionelle, Ursprüngliche, Natürliche ist wieder angesagt. Auch in Basel. Das liegt an der Generation. Und – im Falle des Jodelns – an der Förderung. Pro Helvetia investierte Anfang der 2000er Jahre viel Geld, um die urschweizerische Volkskultur zu unterstützen. Heute kann man Jodeln an der Hochschule Luzern studieren. Längst nicht nur in den Bergen finden Workshops und Seminare statt, in denen gejuuzt, also ohne Text gejodelt, wird. Jodeln scheint ein Gegenentwurf zur Digitalisierung der Welt und zur Vereinzelung der Menschen zu sein. Denn jodeln tut man im Verband. Und: Jodeln macht glücklich. 

Räubergeschichten und die Frage nach der Tracht

Wer sich in Basel fürs Jodeln interessiert, lernt früher oder später Thomas Maria Reck kennen. Der studierte Jazzsänger arbeitet als Gesangslehrer, Komponist und Chorleiter in der Stadt, kommt aber ursprünglich aus dem St. Galler Rheintal. «Als ich noch in der Ostschweiz gewohnt habe, las ich in einem Artikel im Tagi-Magazin, dass ausgeraubt und abgestochen wird, wer über die Brücke ins Kleinbasel kommt. Da wusste ich, dort will ich hin», grinst er frohgemut. Und hier lebt er nun, unterdessen seit über 30 Jahren, bislang ohne Stich- und Schussverletzungen. Das Jodeln hat er als Bub auf dem Markt in Altstätten für sich entdeckt. «Dort verkauften die Appenzeller ihre Kühe», erzählt er. «Mitten in den Verhandlungen haben sie jeweils angefangen ein Zäuerli zu singen. Danach wurde weiterverhandelt, als sei nichts gewesen.» Jodeln ist nicht nur schön, es hat auch eine soziale Funktion. 

Wir passen – auch mit unseren Dialekten – in keine herkömmliche Tracht. Thomas Maria Reck

Auch Dina Jost mochte die Jodelmusik bereits als Kind. Sie wuchs im Bernbiet auf und kannte das Jodeln vom Radio. «Die Musik gab mir ein gutes Gefühl. Aber ich wusste auch, dass wir sowas eigentlich nicht hören …», grinst sie. Erst vor einigen Jahren hat sie selbst mit Jodeln begonnen. «Damals war ich auf der Suche nach einem offenen Ausdruck der Stimme, nach Einfachheit und Natürlichkeit», erklärt sie. Thomas hat sie in der überschaubaren Basler Naturjodelszene kennengelernt. «Thomas ist bis heute massgeben dran beteiligt, dass sich die Szene trifft, dass es Workshops gibt, Stubeten, spontane Aktionen auf der Strasse, dass zusammen gesungen wird», erzählt Dina. Vor zehn Jahren kam es auf dem Margarethenhügel zum ersten gemeinsamen Auftritt. «Bereits unten auf dem Bänkli beim Warten auf den 2er wussten wir, dass wir einen Namen brauchen. Und dass wir das mit dem Outfit klären müssen …», erinnert sich Thomas. 

Heute sind sie «s Echo vo dr Feldbergstrooss». Die Outfit-Frage ist mehrheitlich geklärt. Sie haben sich eine eigene Tracht nähen lassen. Keine traditionelle, denn «wir sind ja beide von irgendwo in der Schweiz ins Kleinbasel gespült worden, wir passen – auch mit unseren Dialekten – in keine herkömmliche Tracht», erklärt Thomas. Ihre Tracht, die laut Dina «zu etwa 4/5 fertiggestellt ist», gibt ihnen Heimat und Identität. Der Traum eines den Jahreszeiten angepassten Outfits ist jedoch gross. Derzeit schwitzt das Duo im Sommer und friert im Winter. «Aber singen tun wir trotzdem!», lacht Dina. «Und wir lassen uns nichts anmerken» ergänzt Thomas. 

Unser Jodel ist secretly Jazz…! Dina Jost

Universalsprache Naturjodel

Doch wie passt denn nun der urschweizerische Naturjodel an die laute Feldbergstrasse? Jodel passt eben überall hin. Die Gesangstechnik, bei der kunstvoll zwischen Brust und Falsettstimme gewechselt wird, ist universell. Zum einen, weil man sie auch bei anderen Völkern – zum Beispiel bei den Pygmäen oder den Inuit – findet. Zum anderen, so Dina, «weil die Melodien so bestechend einfach und zeitlos schön sind. Mit Tradition hat das nichts zu tun. Es ist überkonfessionell.» Ihre Stücke, welche die beiden selber schreiben, sind oft nicht sofort als klassischer Jodel erkennbar. Dina verrät hinter vorgehaltener Hand sogar: «Unser Jodel ist ja secretly Jazz». «Dennoch», weiss Thomas, «braucht es keine Vermittlung, keinen der erklärt, weshalb wir das nun machen und warum das toll ist. Unser Singen kann unabhängig von der Kultur der Zuhörenden verstanden und genossen werden. Wir erreichen damit die Touristen in der Altstadt genauso wie Kinder oder Seniorinnen im Quartier. Unsere Musik schlägt Brücken und verbindet Generationen.» 

Der Naturjodel findet im Alltag statt. Auf dem Markt, wo über Kuhpreise verhandelt wird. Oder eben auf der Strasse, wo der 30er-Bus gefolgt von ein paar Lastwagen vorbeidonnert. Genau dieses Singen als Begleitung vom Leben ist es, das Thomas Reck bis heute fasziniert. Und die Unmittelbarbarkeit. «Wir können uns ein paar Minuten von unserem Wohnort entfernt hinstellen und einen Raum schaffen für unser Angebot. Wir brauchen nichts, ausser unsere zwei Körper, unsere Stimmen, unsere Begeisterung und vielleicht noch jemanden, der zuhört» so Thomas. Und zuhören lohnt sich! Weil die Stimmen von Dina und Thomas diese leise Sehnsucht zu wecken vermögen, die Sehnsucht nach dem Ursprünglichen, Einfachen. Ihre Musik schenkt dir ein tiefes heimatliches Wohlgefühl, sie geht ans Herz. Gut möglich, dass dir ein Tränchen aus dem Augenwinkel kullert. Aber hey, das könnte ja auch von dem Staub kommen, der durch den Stossverkehr an der Feldbergstrasse aufgewirbelt wurde.  

Jodel-Konzerte & -Kurse

Das Jodelduo «s Echo vo dr Feldbergstrooss» singt seine vom Naturjodel inspirierten Kompositionen auf Anfrage in der Beiz, an Geburtstagen, Hochzeiten, Taufen, Beerdigungen und Vernissagen. Zudem kann es für private und geschäftliche Workshops und Kurse gebucht werden. Öffentlich zu hören ist das Duo an Stubeten und Konzerten in Basel und der Region. Auch ein Notenalbum haben Dina und Markus veröffentlicht. Es heisst «Echolot» und ist auf ihrer Webseite zu finden. Aktuell entwickeln Dina und Markus Stücke für ein neues Bühnenprogramm. 

Der nächste Auftritt vom Echo vo dr Feldbergstrooss ist am 15. Dezember um 19.30 Uhr in der Konzertreihe «wach am bach» im Atelier stimmlände am Blumenrain 32. Anmeldung erforderlich unter [email protected].

originalurban.ch / stimmlände.com