«Engagieren sich mit Herzblut für Regionalprodukte: Lukas Ott, Leiter Stadtentwicklung; Lukas Kilcher, Leiter Ebenrain; Johanna Gysin, Geschäftsführerin Verein «Genuss aus Stadt und Land».
Basel-Stadt ist die Schweizer «Stadt der Genüsse 2022». Die GenussStadt Basel lädt dazu ein, ihre Vielfalt mit dem Fokus auf Regionalität, Saisonalität und Handwerk zu entdecken. Über das ganze Jahr verteilt präsentieren Produzentinnen und Produzenten aus der Region ihre lokalen, nachhaltigen Produkte und tragen somit zu einem unverwechselbaren Angebot in der Innenstadt bei.

Für die Vermittlung des lokalen Genusshandwerks ist der Trägerverein der GenussStadt Basel essenziell, bei dem die Detailhandelsorganisation genauso Mitträgerin ist wie der Wirteverband, der Gewerbeverband oder die kantonale Verwaltung. Nicht wegzudenken ist auch Lukas Kilcher, Leiter des Ebenrains, der als Brückenbauer zwischen Stadt und Land fungiert. Er setzt sich für eine stärkere Nutzung von Synergien ein und vermittelt zwischen Produzenten und Verarbeitern. Auch Lukas Ott, Leiter Kantons- und Stadtentwicklung Basel, möchte die Wertschöpfungskette stärken. Er war 2016 Stadtpräsident, als Liestal Schweizer GenussStadt wurde. Bei dieser Gelegenheit haben der Ebenrain, Baselland Tourismus und die Stadt Liestal die Marke «Genuss aus Stadt und Land» lanciert, um die Vielfalt und die Stärken der Regionalprodukte zu kommunizieren. «2018 haben wir zusätzlich das Projekt zur Regionalen Entwicklung ‹Genuss aus Stadt und Land› (PRE) ins Leben gerufen mit dem Ziel, die Verfügbarkeit der regionalen Produkte zu verbessern und so den Bauern zusätzliche Wertschöpfung zu ermöglichen», erklärt Kilcher. Das PRE unterstützt Landwirtschafts- und Verarbeitungsbetriebe sowie Dienstleister, welche regionale Rohstoffe verarbeiten oder vermarkten, bei ihren Investitionen. Die einzelnen Teilprojekte des PRE werden in einer 6-Jahresphase bis 2027 umgesetzt.

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Der Verein «Genuss aus Stadt und Land», der ein Zusammenschluss aller Teilnehmer des PRE ist, möchte neue Absatzkanäle erschliessen, um den Betrieben eine höhere Wertschöpfung zu ermöglichen. Zudem soll gemäss Johanna Gysin, der Geschäftsführerin des Vereins, durch eine gemeinsame Kommunikation die Sichtbarkeit der Produzentinnen und Produzenten erhöht werden. Für die Bevölkerung wird es also in Zukunft einfacher sein, an regionale Lebensmittel zu kommen und wir können uns auf viele Köstlichkeiten aus unserer Region freuen.

Regionalität und Handwerk in den beiden Basel

Wurst, Brot und Bier bilden ein tolles Trio! Ganz besonders, wenn die Zutaten der Produkte aus der Region stammen. Zum Glück stehen Regionalität und die Förderung des lokalen Handwerks hier ganz weit oben. Die Produzentenorganisation IG Juramalz möchte den regionalen Braugerstenanbau für die Malzgewinnung wiederbeleben. Die Bäckerei KULT wünscht sich einen neuen Standort mit einer moderneren Infrastruktur für die Brotverarbeitung und der Wursthersteller Salsitsch hat die Erweiterung seiner Produktionsküche zum Ziel. Diese Vorhaben werden ihnen durch das Projekt zur Regionalen Entwicklung (PRE) Genuss aus Stadt und Land ermöglicht. 

Fleischveredlung in der Basler Aktienmühle

Ein Fleischwolf zum Geburtstag? Für Timon Bürgin kein ungewöhnliches Geschenk. Die Wurstherstellung, die als Hobby startete, sollte sich für den damaligen Betriebswirtschafter schnell zum Beruf entwickeln. Zusammen mit dem gelernten Koch Dennis Banelli gründete er im Jahr 2020 die Firma Salsitsch.

Ganz klassisch starteten sie mit der Produktion von groben Schweinsbratwürsten wie der Salsiccia al finocchio, einer sizilianischen Fenchelbratwurst. Mit der Inbetriebnahme ihrer Produktionsküche, die mehr Platz für die Produktion bot, erweiterte sich das Sortiment Ende 2020 um Trockenfleisch wie Salami, Schinken und Speck. Um innovativ zu bleiben, kreierten sie schon bald Würste, deren Geschmacksrichtungen dem Schweizer Gaumen weitgehend unbekannt sind. Inspiriert vom italienischen Schmorbraten Brasato ist beispielsweise ihre Rotweinwurst entstanden, bei der das Fleisch zusammen mit Zwiebeln und Knoblauch in Rotwein eingelegt wird. Damit die Fleischveredlung perfektioniert werden kann, ist ein Ausbau der Produktionsstätte in der Aktienmühle geplant. 

Vom Land in die Stadt

Bei der Fertigung ihrer Produkte achten Bürgin und Banelli sehr auf Nachhaltigkeit und eine restlose Lebensmittelverwertung. Ihre Würste produzieren sie ausschliesslich mit Schweizer Fleisch. Rind- und Schweinefleisch werden sogar zu 99 % von regionalen Bauernhöfen, wie dem Paradieshof in Muttenz und dem Hof Seilern in Reigoldswil bezogen. 

Das Bewusstsein für einen nachhaltigen Fleischkonsum möchte Salsitsch auch bei den Kunden fördern, weshalb Workshops zum Thema Wurst in Planung sind. Der Austausch mit der Kundschaft ergibt sich zurzeit hauptsächlich an den regelmässig stattfindenden Wochenmärkten. Mit den Nischenprodukten von Salsitsch kann nun neben den Angeboten an Brot, Käse oder Milch auch der Fleischbedarf der Marktgänger gedeckt werden. 

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Die Nutzung von Synergien

Längerfristig ist ein eigener Laden mit einer Spezialitätenmetzgerei und einer Gastronomie das Ziel. Dieses Vorhaben soll wie die Erweiterung der Produktionsküche im Rahmen des PRE realisiert werden. Ein zentraler Beweggrund, beim PRE dabei zu sein, ist für Bürgin die Nutzung von Synergien. Die gesamte Wertschöpfung kann somit innerhalb der Region stattfinden. Unter den Projektteilnehmern des PRE kennt man sich bereits: «Wenn wir ein Catering organisieren oder einen Grillanlass durchführen möchten und Brot brauchen, ist für mich ganz klar, wo wir das dann holen. Wir fahren einfach kurz zu Leon Heinz in die Bäckerei KULT rüber», sagt Bürgin.

Historischer Charme und modernere Infrastruktur

Die Bäckerei KULT, die im Januar 2016 von Leon Heinz, Lea Gessler und Felicia Schäfer gegründet wurde, ist in Basel mittlerweile an zwei Standorten präsent. Aufgrund der wachsenden Nachfrage reichte der ursprüngliche Standort an der Riehentorstrasse bald nicht mehr für die Produktion aus und ein Standort an der Elsässerstrasse kam hinzu, wo heute die Verarbeitung von Zwiebeln, Gemüse und Fleisch stattfindet. Mittlerweile ist die Bäckerei mit ihren rund 40 Mitarbeitern jedoch an einem Punkt angelangt, wo bereits ein dritter Standort notwendig ist.

Mit einem neuen Produktionsstandort sollen bald angenehmere Arbeitsverhältnisse geschaffen werden. An der Riehentorstrasse, wo sich zurzeit der einzige Ofen für die Brotherstellung befindet, müssen die Bäckerinnen bereits um 11 Uhr abends mit ihrer Arbeit beginnen. Das alte Gebäude besitzt zwar durchaus seinen Charme, bietet aber leider keinen Platz für eine moderne Infrastruktur. An einem neuen Standort soll eine zeitgemässe Backstube mit einem neuen Ofen und innovativen Maschinen eingerichtet werden. Die Produktion wird jedoch handwerklich bleiben. An der Riehentorstrasse sollen künftig nur noch Spezialitäten wie das Basler Gold, ein zartes Mandelfinancier, hergestellt werden. Bei der Umsetzung ihres Plans wird die Bäckerei KULT vom PRE unterstützt, das ihnen Fördermittel für den neuen Produktionsstandort zur Verfügung stellt. 

Stärkung des regionalen Entwicklungskreislaufs

Auch die Bäckerei KULT stellt vom Brot bis über die Einmachwaren alles selber her. Die Urprodukte für die Zubereitungen werden alle von regionalen Lieferanten bezogen. So liefert Samuel Graf von der Mahlstube Maisprach das Mehl und Lukas Gschwind vom Landwirtschaftsbetrieb Grossmatthof in Therwil die Eier für die Backstube. Durch die Verarbeitung solcher Produkte soll der regionale Entwicklungskreislauf gestärkt werden. Diese Stärkung sieht Heinz als eine gesellschaftliche Verantwortung an, die man übernehmen muss: «Wir könnten wohl auch gute Croissants mit polnischem Mehl herstellen. Die Regionalität ist aber weniger für den Endkunden wichtig als für die Gesellschaft. Es geht hier um grössere Themen wie lange Transportwege und die Klimakrise.»

Heimisches Bier

Nicht nur bei der Lebensmittelproduktion, sondern auch bei der Getränkeherstellung wird die Herkunft der Rohstoffe immer mehr zum Thema. Vor rund zehn Jahren wurde die Interessensgemeinschaft Mittellandmalz, bestehend aus Landwirten, Brauern und an der Braugerste interessierten Personen, gegründet. Die IG verfolgte das Ziel, den regionalen Anbau von Braugerste als Ackerkultur wieder ins Leben zu rufen, was durch die Zusammenarbeit mit der Fachhochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen gelungen ist. Damit die gewünschte Braugerstenqualität erreicht wird, berät die IG Mittellandmalz Landwirte in anbautechnischen Belangen und führt Sortenversuche durch. Seit dem 1. Januar 2022 findet die Vermälzung der IG zu 100 % in der Schweizer Mälzerei in Möriken-Wildegg statt, die jährlich rund

1500 Tonnen Malz produziert. Somit hat es die IG Mittellandmalz geschafft, ausschliesslich mit Schweizer Malz ein heimisches Bier zu brauen. 

Regionaler Braugerstenanbau

Aus dem Wunsch heraus, auch in der Nordwestschweiz Braugerste anzubauen, wurde im Dezember 2020 die Interessensgemeinschaft Juramalz gegründet. Diese IG deckt die Regionen Basel, Baselland, Fricktal und Schwarzbubenland ab und hat bereits rund 60 Mitglieder, darunter Landwirtschaftsbetriebe, Brauereien und Brennereien. Die IG Juramalz kann nun von der hervorragenden Pionierarbeit der IG Mittellandmalz profitieren und in Zusammenarbeit mit der HAFL am Braugerstenanbau interessierte Landwirte beraten und dadurch das Anbaugebiet erweitern. Im Einzugsgebiet der IG Juramalz wird bereits auf 32 Hektaren Land Braugerste angebaut, davon auf ganzen neun Hektaren in Bioqualität. 

Die Vorhaben der IG Juramalz stehen mit ihrem Fokus auf Regionalität, Ernährungssouveränität und Nachhaltigkeit ganz im Sinne des Projekts zur Regionalen Entwicklung, weshalb die IG unterstützt wird. «Die IG Juramalz fördert die regionale Wertschöpfung. Landwirte können mit guter Braugerstenqualität einen höheren Ertrag erwirtschaften und Brauereien können etwas Regionales auf den Markt bringen», erklärt Istvan Akos, Präsident der IG Juramalz.

Die IG Juramalz, die Bäckerei KULT und der Wursthersteller Salsitsch sind nur drei von 14 Teilprojekten, die im Rahmen des PRE durchgeführt werden und durch ihr Schaffen die regionale Wertschöpfungskette fördern. Zehn Projekte wie beispielsweise der Landwirtschaftsbetrieb Amriza (Hofvermarktung und Kräuteranbau), der Verarbeitungsbetrieb Posamenter GmbH (Lohnverarbeitung von Obst und Gemüse) und das Lebensmittel Netzwerk Basel haben in diesem Jahr bereits mit der Umsetzung begonnen. Wir können uns in den kommenden Jahren also über eine Vielzahl an überraschenden Regionalprodukten freuen, bei denen Protagonisten aus beiden Basel mit Herzblut dahinter stehen.

Text Salome Ruf

Bilder Kostas Maros