Während der Genusswoche wagt das LOKAL am Erasmusplatz ein kulinarisches Experiment: türkischer Kebab mit lokalen Zutaten. Die Idee dazu existiert schon länger. Dank einer einmaligen Zusammenarbeit mit Imbissen und Restaurants aus dem Kleinbasel wird sie nun Realität und der Kebab kann eine Woche lang gekostet werden.

Vor fünf Jahren hat Esther Lohri (34) ihr etwas anderes Lebensmittellädeli LOKAL im Kleinbasel eröffnet. Damit war sie eine der Ersten im Quartier, die mit ihren regionalen Lebensmitteln eine alternative Einkaufsmöglichkeit zu den Grossverteilern schaffte. In den letzten Jahren sind erfreulicherweise weitere kleine Läden und auch neue Quartiermärkte in Basel hinzugekommen, die das Angebot an lokalen Lebensmitteln bereichern.

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Nachdem sie drei Jahre lang den Verkauf im Laden allein bewerkstelligt hat, kann sie heute bereits mehrere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen und sich über eine zahlreiche Kundschaft freuen. Für die Kundin nen und Kunden ihres Ladens hält sie ein vielfältiges Angebot bereit. Im LOKAL finden sich unter anderem Milchprodukte, Fleisch, Fisch, Getreideprodukte, Pasta, Trockenwaren, Eingemachtes, wie auch Obst- und Fruchtsäfte, Sirups und alkoholische Getränke. Zu ihrem Non-Food-Angebot gehören Kochbücher und einige Kosmetikprodukte wie Seifen und Deos. Mit Ergänzungen aus dem Sortiment des benachbarten Ladens «Basel unverpackt», der neben Lebensmitteln auch umweltschonende Hygieneprodukte, Haushaltsutensilien und Reinigungsmittel führt, ist sie in der Lage, den täglichen Bedarf selbst zu decken und der Einkauf beim Grosshändler wird überflüssig.

Wertschätzung für Lebensmittel

Ihre Produkte bezieht Lohri, wenn immer möglich, aus der Region. Eine Ausnahme macht sie bei Spezialitäten, die in der Umgebung nicht verfügbar sind, wie Bergkräutertee aus dem Graubünden oder Trockenwurst mit Wildfleisch aus dem Walsertal. Gestartet mit nur 20 Produzenten, von denen sie viele auf Bauernmärkten kennengelernt hat, sind es mittlerweile über 130 Kleinproduzenten aus Basel und Umgebung, mit denen sie zusammenarbeitet. Aus Basel-Stadt selber stammen viele ihrer verarbeiteten Produkte, wie Brot, Honig, Pasta, Ravioli oder auch Bier, Wein und Schnaps. Lohri möchte voll und ganz hinter einem Produkt stehen und dies sei nur möglich, wenn man wisse, woher etwas kommt und wie es angefertigt wird. «Wenn es die Kunden so wie mich interessiert, können sie schnell aufs Land fahren und sich selber ein Bild von den Höfen machen. Das Label auf der Verpackung wird so überflüssig», ergänzt sie. Der Bezug zu den Lebensmitteln soll wieder hergestellt werden und das Handwerk nicht vergessen gehen.

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Die Erhaltung des handwerklichen Know-hows und der Biodiversität sei eines der Hauptziele der globalen Slow Food-Bewegung. Vom lokalen «Convivium Basel – Stadt und Land» ist Lohri seit drei Jahren Präsidentin und setzt sich für nachhaltig und fair produzierte Lebensmittel ein. Fair bedeutet für Lohri, nicht mehr an einem Produkt zu verdienen als derjenige, der es herstellt. Ausserdem soll sich jeder qualitätvolle Lebensmittel leisten können, was sie in ihrem Laden mit einer tiefen Marge von nur 25 % ermöglichen möchte. Jedoch sei es aus Kundenperspektive oftmals ein «es sich leisten wollen und nicht ein es sich leisten können». In der Schweiz wird rekordmässig wenig, nämlich nur 7 % des Haushaltsbudgets, für Lebensmittel ausgegeben – eine Tatsache, die sich gemäss Lohri ändern müsse.

Dieser mangelnden Wertschätzung von Lebensmitteln möchte Slow Food Basel entgegentreten. So findet einmal jährlich ein grosser Markt in der Markthalle statt, wo sich lokale Produzenten zusammenfinden und ihr Wissen an die Besucherinnen und Besucher weitergeben. Lohri ist sich bewusst, dass nicht die ganze Stadt Basel mit lokalen Nahrungsmitteln ernährt werden kann. Jedoch soll «das Potenzial in der Region ausgeschöpft werden». Davon seien wir jedoch noch weit entfernt. Viele Restaurants in Basel würden angeben, regional und saisonal zu kochen, was jedoch nicht der Fall sei. Die Bereitschaft, Nahrungsmittel lokal zu beziehen, sei jedoch erfreulicherweise vorhanden.

Ich wünsche mir, dass in den Restaurants mehr regionale und frische Lebensmittel verarbeitet werden. Esther Lohri

Um die Verwendung von regionalen, frischen und qualitativ hochwertigen Lebensmitteln in Gastronomiebetrieben zu gewährleisten, ist die Genossenschaft «Lebensmittel Netzwerk Basel» dabei, zur Vereinfachung der Logistik und des Bestellwesens eine Handelsplattform aufzubauen. Auf dieser sollen Kleinproduzenten ihre Waren anbieten und Gastronomien sowie Detailhandel diese Lebensmittel bestellen können. Die Pilotphase wird im nächsten Jahr anlaufen und hoffentlich die gewünschten Erfolge bringen. Für nächstes Jahr wird ebenfalls eine bessere Ernte erhofft als in diesem Jahr. Wechselhaftes Wetter führte zu einem «sehr schwierigen Jahr für die Landwirte». Den Ernteausfall spürt sie auch bei sich im Laden, da es ihr an Obst und Gemüse mangelt. «Kunden, die in die Migros oder den Coop gehen, sind es sich gewohnt, dass immer alles verfügbar ist», sagt Lohri. Es liegt ihr am Herzen, dass auch der Kunde realisiert, wenn sich äussere Umstände wie der Klimawandel negativ auf die Landwirtschaft auswirken. Der Einkäufer soll verstehen, «was auf den Feldern gerade passiert». Diejenigen, die das Konzept des LOKALs verstanden haben, hätten glücklicherweise Verständnis, wenn ein Lebensmittel – sei es auch saisonal bedingt – gerade nicht käuflich ist. Das Wissen über Anbau, Verarbeitung und Zubereitung von Nahrungsmitteln gibt Lohri gerne an Interessierte weiter. Deshalb finden im Laden gelegentlich Workshops, Vorträge, Degustationen und Dinner statt. Dazu lädt sie verschiedene Produzenten und Köche ein, die ihre Kenntnisse gerne an neugierige Teilnehmerinnen und Teilnehmer vermitteln.

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Ein kulturelles Konzept lokal inszeniert

Auch an der diesjährigen Genusswoche hofft Lohri, Neugierige bei sich im Laden oder auch vor dem Laden begrüssen zu dürfen, denn dort werden für eine Woche Kebabs aus rein lokalen Zutaten angeboten. Die Idee dazu schwirrte ihr und ihrem Mann bereits seit einigen Jahren im Kopf herum. «Wir wohnen seit vielen Jahren im Kleinbasel und mögen beide Kebab sehr. Irgendwann haben wir aber aufgehört, Kebab zu essen, da es mit unseren Ansprüchen an qualitativ gute Zutaten, deren Herkunft wir nachvollziehen können, nicht vereinbar war», so Francisco Moura Veiga. Die Regionalität der Bestandteile ist deshalb so zentral für Lohri, da Genuss für sie bedeutet zu wissen, was sie isst. «Auch wenn ich etwas in einem feinen indischen Restaurant esse, ist es für mich nicht der gleiche Genuss, wie wenn ich etwas Lokales esse, von dem ich weiss, dass es von diesem Tier stammt, das auf dieser Weide gewesen ist», betont Lohri. Wenn Lebensmittel mit Überzeugung, Sorgfalt und Liebe hergestellt werden, würde man dies beim Essen schmecken.

Da ihr und ihrem Mann der kulturelle Hintergrund für die Herstellung von Kebab fehlt, haben sie den Geschäftsführer Isik Hüssein vom Ubeck Imbiss am Wettsteinplatz mit ins Boot geholt. Er sei einer der Wenigen in Basel, die das Fleisch noch selbst verarbeiten. Die meisten würden den fertigen und industriell hergestellten Spiess bei Grossproduzenten einkaufen, wie sie herausgefunden haben. Kebabspiesse werden für gewöhnlich mit jungem Fleisch, wie Kalb- oder Lammfleisch, hergestellt. Für den LOKAL-Kebab werden die beiden diese Tradition brechen und Ziegen- sowie Rindfleisch von älteren Tieren verwenden. Zu Unrecht habe Ziegenfleisch in der Schweiz einen schlechten Ruf und wird kaum noch verkauft – ganz im Gegensatz zum Ziegenkäse, der in aller Munde ist. «Das eine geht nicht ohne das andere, wie beim Rindfleisch und der Kuhmilch. Das ist vielen Konsumenten nicht bewusst», sagt Lohri.

Viele Kunden kommen extra für unser hausgemachtes Fleisch in den Imbiss. Isik Hüssein

Hüssein, der seit 18 Jahren im Familienbetrieb tätig ist, beschreibt, welche Stücke vom Tier für den Spiess besonders geeignet sind. Mit Ziegenfleisch habe er keine Erfahrung, sei aber bereit, es auszuprobieren. Dabei wird ihm sicherlich die jahrelange Erfahrung zugutekommen, die er in der Zubereitung von verschiedenen Fleischsorten gesammelt hat. Das Fleisch wird jeweils von Fett und Sehnen befreit und anschliessend mariniert. «Viele Kunden kommen extra für unser hausgemachtes Fleisch in den Imbiss», ergänzt Hüssein. Die Konsumenten würden durchaus den Unterschied zwischen ihren und industriell hergestellten Spiessen wahrnehmen.

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Die ca. 30 kg Fleisch, die für die Zubereitung des LOKAL-Kebabs benötigt werden, wird Lohri vom Hof Silberdistel in Holderbank beziehen und zur Weiterverarbeitung an Hüssein in den Imbiss liefern. Damit nur eine Ziege geschlachtet werden muss, sollen möglichst viele Teile vom Tier verwertet werden. Für das Brot wird sie mit dem Aziz Imbiss an der Haltingerstrasse zusammenarbeiten. Dort werden die Brottaschen für den LOKAL-Kebab mit Mehl aus der regionalen Mühle in Maisprach gebacken. Für die Zubereitung der Joghurtsauce holt sie sich das Know-how vom orientalischen Restaurant Lu an der Feldbergstrasse, da diese dort «super fein» sei. Das frische Gemüse für die Füllung kommt von lokalen Produzenten und wird mit fermentierten Produkten von pureTaste ergänzt. Um die Frische des Kebabs zu garantieren, wird der Genusswochen-Kebab jeweils nur abends von 18–20 Uhr angeboten und das Fleisch frisch vom Spiess geschnitten sowie das Gemüse zeitnah gerüstet. An ihrem improvisierten, kleinen Stand werden Lohri und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schätzungsweise 20 Kebabs pro Abend anfertigen können – ganz nach dem Motto «s het, solang’s het!».

Der Kebabstand vor dem Laden wird eine einmalige Aktion bleiben. Jedoch hofft Lohri, zeigen zu können, was geschmacklich durch die Verwendung von regionalen Zutaten alles möglich ist und wie ein interkulturelles Konzept lokal inszeniert werden kann. Dann bleibt nur noch zu sagen: Überzeugen Sie sich selbst und e Guete!

Vernissage LOKAL-Kebab: Einführung zur Entstehung des LOKAL-Kebabs. Do, 16.09.2021, 18 Uhr, am Erasmusplatz

Text: Salome Ruf