Sänger, Songwriter, Multiinstrumentalist: Sam Himself ist Musiker, weil er es sein muss. Wieso ein inspirierender Zustand für ihn fast schon psychotisch ist und warum er im Flugzeug häufig weint, erzählt er uns beim unterhaltsamen Schwatz an der Sonne.

Eine der Ideen von dieser Interview-Serie ist, dass die Fragen möglichst kurz und knackig beantwortet werden können.

Mit Sam Himself ist dies allerdings nicht möglich. Und soll es bitte auch auf keinen Fall sein!

Seine Schlagfertigkeit ist zu grandios; sein Wortwitz zu unterhaltsam. Sam hört man einfach gerne zu. Und das nicht nur, wenn er mit seinem Mikrofon und der Gitarre auf irgendeiner internationalen Bühne steht.

Der Sound des Nominierten für die Swiss Music Awards 2021 wird gerne als verträumte Reise beschrieben, die fast so viel Boden abdeckt wie der Roadtrip, von dem sie inspiriert wurde.

Ein Roadtrip, der überall auf dieser Welt stattfindet; jeden Tag, im Hier und Jetzt. Denn wie uns der heute hauptsächlich in New York Lebende im Interview erzählt, ist er permanent ready, sich inspirieren zu lassen.

In unserer «Tat oder Wahrheit»-Serie stellte er sich neben unseren Fragen auch einer ganz persönlichen von Benjamin Noti.

Welchen Song assoziierst du mit deiner Kindheit?

«Don’t Think Twice, It’s Alright» von Bob Dylan. Meine Mama hat ihn oft gehört. Definitiv eine meiner ersten musikalischen Erinnerungen.

Welche 3 Worte umschreiben deine Musik?

Fondue Western Forever. Eigentlich ein Spässli von meinem Produzenten in New York, da ihn meine Leadgitarre an Fonduefäden erinnert. Und natürlich eine Anspielung an Spaghetti Western.

Deine zuletzt vergossenen Tränen?

Das war im Flugi. Wenn ich von New York wegfliege und aus dem Fenster schaue, werde ich oft melancholisch. Und ja, ich trinke im Flugzeug auch gerne einen über den Durst. Das verstärkt die Stimmung natürlich. (lacht)

Wieso bist du Musiker geworden?

Das habe ich mich ehrlich gesagt noch nie gefragt. Dass ich Musiker werden möchte, habe ich allerdings schon immer gewusst. Es vergingen jedoch einige Jahre, bis ich realiserte, dass ich es auch kann. Songs geschrieben habe ich schon in jungen Jahren. Ich ging auch in den Gitarrenunterricht – was nicht heisst, dass ich die Lieder je geübt hätte. Viel lieber spielte ich in diversen Punk-Bands meine eigenen Kreationen.

Ich muss einfach Musiker sein! Auch wenn sich das vielleicht abgefahren anhört; ich könnte mir beim besten Willen keine bessere Nutzung meiner Zeit vorstellen. 

Eine bahnbrechende Rolle spielte sicher auch mein grosser Cousin, der mich mit Nirvana vertraut machte, als ich etwa elf Jahre alt war. Beim Musikvideo von Lithium wusste ich: «Das bin ich. Das ist das, was ich will.»

Anfangs habe ich übrigens lange Zeit meine Stimme verstellt; habe sie rausgepresst oder gar geschrien. Irgendwann meinte mein Produzent: «Kannst du nicht einfach so singen, wie du tönst!?» Ein sehr wichtiger Input, wie sich im Nachhinein herausgestellt hat.

Deine grösste Inspiration?

Ein Zustand. Erreichst du ihn, inspiriert fast alles. Das ist fast schon psychotisch. Ich rede jetzt aber nicht von Drogen, sondern von inspirierenden Methoden wie Reisen, Lesen, Musik. Ich muss also stets ready sein, inspiriert zu werden und die Inspiration dann auch bewusst umsetzen können. Glaub jetzt aber ja nicht, ich wäre ein Zen-Meister! Ich bin alles andere als der ausgeglichenste Mensch, den ich kenne. Umso härter treffen mich Inspirationsflauten. In diesen Momenten ist es wichtig, nicht besessen zu sein. Deshalb arbeite ich auch immer parallel an verschiedenen Werken.

Mit wem würdest du gerne mal zusammenarbeiten?

Mit Beni Noti. Und Vielen, die leider schon tot sind. Nein, Spass. Besonders spannend ist es, wenn ich durch eine Zusammenarbeit aus meiner Komfortzone ausbrechen muss. Und ja, David Bowie wäre schon nice.

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Was wolltest du deinen Fans schon immer mal sagen?

Das wissen sie hoffentlich schon durch meine Songs und Shows. Und: Merci für alles!

Dein verrücktestes Groupie-Erlebnis?

Das nehme ich mit ins Grab.

Was singst du unter der Dusche?

Vieles, das ich eigentlich nicht kann. Roy Orbison zum Beispiel. Irgendwie tönt man einfach so verdammt gut unter der Dusche. Am liebsten hätte ich immer eine dabei.

Welche deiner Charaktereigenschaften würdest du gerne spülen?

Meine Zerstreutheit. Und die Impulsivität … Aber konzentrieren wir uns auf eine: Sturheit!

Dein bisher geilstes Konzert?

Das Erste nach der Covid-Pause, mit der ganzen Band. Endlich wieder draussen mit den Buben! Und dann erst noch vor mega Publikum. Das sind so Momente, wo du am Schluss auf dem Boden liegst und denkst … ebe nüt meh, das isch schön!

Wie wird dein nächstes Konzert?

Noch geiler. Meine Solo-Konzerte versuche ich immer spannend zu halten. Und zwar nicht nur fürs Publikum, sondern auch für mich. Zu viel Routine mindert meiner Meinung nach die Präsenz.

Dein Rezept für den Umgang mit der Covid-Krise?

Informationsdiät. Ich habe meinen Newskonsum reduziert und versuche seither, noch präsenter zu sein. Plus habe ich gelernt, dass man auch ohne (gemeinte) Lieblingsdinge überleben kann.

Worauf freust du dich «nach Covid» am meisten?

Wann ist das? Ich wäre soweit. Ich freue mich darauf, live wieder Vollgas geben zu können – ohne Angst und Sorgen und Testerei. Endlich wieder wild herumreisen! Und das beigeisterte Publikum wieder richtig fühlen zu dürfen; den Durst und Hunger wieder zu stillen – das wird eine gute Flutwelle!

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Vorteile vom Internet in der Musikindustrie?

Mehr Zugang für mehr Menschen – und das weltweit. Es wurde einfacher, Musik herauszugeben. Und die Möglichkeiten, sich mit dem Publikum auszutauschen, sind vielfältiger. Mir ist es jedoch extrem wichtig, dass mein Auftritt in den sozialen Medien authentisch ist. Und das ist nicht immer einfach zu managen.

Was vielen Menschen auch nicht bewusst ist: Ein Stream auf Spotify ist fast nichts wert. Das Produkt selber wird heute kaum noch als wertvoll angeschaut, vielmehr geht es um Likes, Followers und nette Selifes. Das empfinde ich definitiv als besorgniserregend. Plus lenkt es einen als Musiker sehr ab.

Nachteile?

Ich verbringe viel Zeit damit, ein Ein-Mann-Business zu sein. Eben: Diese Selbstverständlichkeit, als Musiker nicht nur Musik zu machen, sondern auch viel Persönliches von sich preiszugeben – à la Reality TV. Es wird unterschätzt, wie aufwändig das alles ist.

Hinzu kommt, dass die musikalische Währung quasi fremdbestimmt wird. Für meinen Geschmack funktioniert das alles etwas zu kapitalistisch.

Dein eigener Lieblingssong?

Alle. Also eigentlich immer der Neuste. Es sind aber alle meine Babys.

Dein abgefahrenstes Erlebnis als Musiker?

Was immer krass ist: Wenn die Leute mitsingen und den ganzen Text auswendig kennen. Das ist der Wahnsinn! Plus hilft es, wenn ich selbst den Text mal vergesse. (lacht)

Der beste Ratschlag, den du bisher gekriegt hast?

Als ich mit Bonnie Tyler am gleichen Festival gespielt habe, haben wir uns über Lampenfieber unterhalten. Ihr Tipp: «Love ‘em, honey; they love you right back!»

Die Basler Musiklandschaft kurz beschrieben?

Cool. Gross. Divers. Aktiv. Und mega gewachsen, seit ich nicht mehr fix hier wohne (zehn Jahre).

Was würdest du gerne ändern in der Musikindustrie?

Ich wäre froh, wenn die Entscheidungshoheit eher bei den Musikschaffenden liegen würde, und nicht etwa bei Streaming Plattformen und Labels.

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Und was wünschst du dir von der Musikszene in Basel?

Habt mehr Mut! Geht aufs Ganze! Lasst euch keine eigenen Grenzen einreden, sondern setzt sie selber fest!

In welchem Moment bitte lieber keine Musik?

Beim Meditieren.

Worauf bist du besonders stolz?

Dass ich immer an mich geglaubt habe, auch wenn ich teilweise der Einzige war. Dass ich an mein Ding geglaubt habe. Und das immer noch tue.

Was macht dich glücklich?

So viel: im Meer schwimmen; neue Orte besuchen; Leute, die ich gern habe. Eine neue Lied-Idee zu haben und zu wissen, dass sie gut ist.

Welche Frage fehlt hier?

Wie tönt eine klatschende Hand?

Wen Sam nominiert, hier mitzuspielen? Georg Dillier von Anna Rossinelli. We look forward!

 

NICHT VERPASSEN:

Am 12. November 2021 tauft Sam Himself sein Debüt-Album Power Ballads im Parterre One.

samhimself.com

 

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TAT ODER WAHRHEIT?

In Basel wimmelt es von (versteckten) Musiktalenten. Die Serie «Play With Me» lässt dich die unterschiedlichsten Kunstschaffenden unserer Stadt kennenlernen – Hörproben inklusive – und stellt sie jeweils vor eine grosse Frage: Tat oder Wahrheit? Der oder die Porträtierte entscheidet, wer als nächstes mit welcher Challenge an der Reihe ist.