Wenn tote Tiere lebendig wirken, haben Präparatoren alles richtig gemacht. Wie viel Aufwand und Vielfalt hinter ihrer Arbeit steckt, zeigt ein Besuch im Naturhistorischen Museum Basel.

Endlich. Mit dem Besuch des Zoologischen Präparatoriums des Naturhistorischen Museums in Basel geht ein Kinderwunsch in Erfüllung, der an hohe Erwartungen geknüpft, aber auch mit naiven, teils gruseligen Vorstellungen verbunden ist. Schliesslich geht es darum, toten Tieren neues Leben einzuhauchen, alles andere als schön, oder? Doch klaffen auch hier Vorstellung und Realität auseinander. Wer also erwartet, auf massenhaft aufgeschlitzte Tiere, herumliegende Gedärme und riesige Knochen zu stossen, könnte bitter enttäuscht werden. Allenfalls befriedigen ein paar aufgehängte Tierköpfe die morbide Neugier. Zu einer Enttäuschung wird der Besuch dennoch nicht, denn er schafft im Gegenteil erstaunliche Einblicke in die Schaffensvielfalt und Kreativität des Berufs des Tierpräparators.

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Das Naturhistorische Museum Basel zählt insgesamt zehn Präparatoren, einer davon ist der Vogelpräparator Maurice Lunak aus Deutschland. Er hat in Bochum seine schulische Ausbildung absolviert und am Naturkundemuseum Stuttgart erste Erfahrungen gesammelt, bevor er 2015 nach Basel kam. Seine Schweizer Kollegen mussten für ihre Anerkennung quartalsweise an die Berufsschule für Chemie, Grafik und gestaltende Berufe in Wien. Bereits in Stuttgart hat Maurice Lunak in der ornithologischen Abteilung gearbeitet, seitdem ist er den Vögeln treu geblieben. «Am liebsten präpariere ich kleine Vögel, auch wenn das eine Herausforderung darstellt», erzählt er und zeigt einen kleinen gestalteten Kunststoffkörper für das Modell eines Blaukehlchens. «Ich freue mich schon drauf, wenn ich mal einen Kolibri präparieren darf, die sind zwar klein, aber haben eine gute, stabile Haut.»

Tatsächlich hat die Tätigkeit des Präparators viel mit Kunst zu tun. Ein Präparator ist Bildhauer und Handwerker zugleich.

Früh übt sich, wer Präparator werden will

Die naturkundliche Faszination liegt jedem Präparator im Blut und macht sich bereits in der Kindheit bemerkbar. «Auch ich bin mit Hammer und Archäologieausrüstung Ammoniten suchen gegangen und habe Tiere beobachtet», erinnert sich Maurice Lunak. Tiere beobachten schön und gut. Aber Tiere «ausstopfen»? «Vielleicht hat mich das aufwendig gestaltete Gemälde mit einem gut präparierten Fasan geprägt, das im Wohnzimmer meines Grossvaters hing. Den Fasan hatte bereits mein Urgrossvater in Auftrag gegeben und nun hängt er in vierter Generation in meiner Wohnung», erzählt der 33-jährige Präparator. «Mich fasziniert heute noch dessen kunstvolle Ausführung.»

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Tatsächlich hat die Tätigkeit des Präparators viel mit Kunst zu tun. Ein Präparator ist Bildhauer und Handwerker zugleich. Seine Aufgabe besteht darin, die Tiere so zu präparieren, dass man das Gefühl hat, ein echtes Tier vor sich zu haben. Der Besucher im Museum soll überrascht sein und im besten Fall die Details erkennen, die das Präparat zu einem guten Präparat machen. «Schlechte Präparate, wie man sie in manchen Gaststätten findet, würde ich am liebsten abnehmen», so Maurice Lunak. Tatsächlich wirken dort viele lieblos ausgestopft statt qualitativ präpariert. Die besten Präparate werden prämiert. So wie das Okapi von Alwin Probst, Leiter des Präparatoriums, das letztes Jahr den dritten Preis des European Taxidermy Championship in Budapest erhielt. Das Okapi war eine Totgeburt im Basler Zoo. Nun steht es für eine Ewigkeit im Naturhistorischen Museum.

Die meisten Vögel kommen von der Vogelwarte in Sempach. Häufigste Todesursache: der Knall gegen Glasfenster. Und Hauskatzen.

Vom Gefrierschrank auf den OP-Tisch

Neben Handwerker und Künstler ist ein Präparator auch noch Chirurg, Kürschner und Gerber. Denn jedes zukünftige Präparat kommt als totes Tier ins Museum. Und das gilt es zu entleeren, zu «balgen», Haut und Fell anschliessend haltbar zu machen. Die meisten Vögel kommen von der Vogelwarte in Sempach. Häufigste Todesursache: der Knall gegen Glasfenster. Und Hauskatzen. Die gehören schon lange nicht mehr zu den «natürlichen» Todesfeinden von Vögeln. Wie jeder Chirurg grenzt sich auch Maurice Lunak von den Einzelschicksalen ab und konzentriert sich auf die Arbeit. Die besteht erstmal aus dem Gang in den grossen Gefrierraum, in dem die toten Tiere bei minus 20 °C aufbewahrt werden. Ist die Todesursache unklar, muss das Tier vorher in die Tierpathologie nach Bern, wo es untersucht wird. Für welchen Zweck die eingefrorenen Tiere präpariert werden, entscheiden die Kuratoren. Braucht es ein aufwendig gestaltetes Ausstellungsexemplar oder ein wissenschaftliches Belegexemplar für die Schublade? Bei den Auftragsarbeiten für die Ausstellung wird dann zum Beispiel festgelegt, ob der Vogel auf einem Ast sitzen, im Maul einer Wildkatze oder in einer Öllache dargestellt werden soll. So wie die drei Lachmöwen in der Ausstellung «Erde am Limit». Aufklärung und Umwelterziehung als Pfeiler jedes Naturhistorischen Museums.

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Mit chirurgischer Präzision und Ruhe

Als nächstes darf sich Maurice Lunak einer Schneeeule annehmen, die von einem privaten Züchter gebracht wurde und ganz unspektakulär an Altersschwäche gestorben ist. Zum Präparieren wird sie aus dem Gefrierschrank geholt und für das Entledigen ihrer Organe in einen sterilen Raum gebracht, der an einen OP-Saal erinnert. Ein Chromtisch im Zentrum des Raumes lässt erahnen, dass jetzt der chirurgische und unappetitliche Teil kommt. «Dafür mache ich einen Schnitt durch die Epidermis», präzisiert der Operateur, «drehe die Haut auf links und nehme alles raus. Anschliessend werden Haut und Knochen gereinigt.» Die Haut – das wichtigste für den Präparator – wird dann im Raum nebenan maschinell gegerbt und anschliessend getrocknet. Oben im Atelier findet das eigentliche Gestalten statt, hier kommt der Künstler und Handwerker zum Einsatz. Was entleert wurde, muss wieder gefüllt werden. Daher wird für die Grundform eines Vogels eine Dermoplastik entwickelt – aus Kunststoff oder Holzwolle. «Das sind gängige Hilfsmittel beim Präparieren». Um diesen Körper wird letztlich die Haut gelegt und geklebt, anschliessend Details wie die Augen angebracht, das Tier in Szene gesetzt und seiner Bestimmung übergeben. So wird es von nun an Generationen begeistern.

Text: Dominique Simonnot