Man möchte die Kunst anfassen - soll man aber natürlich nicht.
Es geht um die Macht grosser Konzerne, um Wirtschaft, Politik und um die Wunden, die das rücksichtlose Verhalten der Menschheit global hinterlässt. Die aktuelle Ausstellung in der Kunsthalle Basel stimmt einen nicht froh. Und ist dennoch wunderschön anzusehen. Ein Dilemma.

Ich komme gerade von der aktuellen Ausstellung der Kunsthalle und frage mich einmal mehr, warum ich in diesem Haus eigentlich nicht mehr Zeit verbringe. Was für ein inspirierender Ort – obwohl oder vielleicht eben auch weil er einem immer wieder betroffen zurücklässt. Bereits im Eingangsbereich rollt mir eine schwarze Riesenkugel entgegen und versperrt mir Blick und Weg – es ist die Erde und sie sieht nicht gut aus. Verklebt mit Bitumen ist sie, zieht hinter sich eine Spur aus Bitumen-getränkter Kleidung. Die soll grob den Verlauf der Transamazonica nachzeichnen, eine in den 1970er Jahren von der brasilianischen Militärdiktatur angelegte Fernstrasse, die über 4000 Kilometern durch den grössten Tropenwald der Welt führt. 

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Es geht um Rodungen und die daraus resultierenden massiven ökologischen Folgen. Hat man den düsteren Einstieg in die Ausstellung von Pedro Wirz geschafft, wird es zwar bunter, aber nicht optimistischer. Da hängen Wandskulpturen in Form von übergrossen Smartphones, zusammengetackert aus Resten von Decken, Handtüchern und anderen Textilien, welche die Flora und Fauna darstellen. Doch was sind das für seltsame Öffnungen? Sind es Wunden? Oder etwa Darmausgänge? Auch hier weist Wirz auf den von Profitgier angetriebenen Planeten hin, der an einer Umweltkrise erstickt. 

 

Sämtliche Skulpturen hat Pedro Wirz eigens für diese bislang grösste institutionelle Einzelausstellung in der Kunsthalle Basel geschaffen. Dazu hat der brasilianisch-schweizerische Künstler, der übrigens während meinem Besuch selber in seiner Ausstellung herumspaziert,  organisches Material und Dinge aus der Konsumwelt benutzt. Er wandelt zwischen Naturwissenschaft und Volkskunde, zwischen Mythologien und Artensterben, er legt seinen Finger in die Wunden der Erde und macht aus ihnen Skulpturen. Nach leidlich Tristesse in den vorderen Räumen, ein Lichtblick am Ende: Noch ist nicht alles verloren – die Welt hat zwar einen Hangover, aber die Leber ist daran, das Gift aus dem System zu entfernen. Nur bessern sollten wir uns und zwar besser schnell …

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Im ersten Stock erwartet mich schliesslich drei Werkgruppen von der in Kuwait-Stadt geborenen Künstlerin Alia Farid. Es sind monumentale Skulpturen, überlebensgrosse Behältnisse zum Transport und zur Aufbewahrung von Wasser. Wo Alia Farid herkommt, gibt es eine jahrhundertealte Tradition öffentlicher Trinkbrunnen. In allen möglichen Formen stehen sie kostenlos für die Bevölkerung bereit. Wunderbar, möchte man meinen – zumal Trinkwasser am Persischen Golf eine Mangelwahre ist. Das Problem ist nur, dass das Wasser industriell mittels Meerwasserentsalzungsanlagen gewonnen wird. Dieses Verfahren braucht einerseits extrem viel Energie und es produziert überdies Massen an Salz, die Mangels Verwendungszweck einfach zurück ins Meer gekippt werden. Eine wenig nachhaltige Methode ist das, da so der Salzgehalt im Meer erhöht wird. Ein prekärer Eingriff ins Ökosystem also.

Auch in den beiden weiteren Ausstellungsräumen weist Alia Farid auf den desaströsen Eingriff der Menschen auf die Natur in ihrem Land hin. Man möchte heulen, angesichts der eindrücklichen – und überaus schön anzusehenden – Kunst, aber vor allem angesichts der Tatsache, dass wir Menschen unsere Lebensgrundlage nach wie vor erfolgreich selber zerstören.  

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Perdo Wirz «Environmental Hangover» - zu sehen bis am 1. Mai.

Alia Farid «In Lieu of What is» - zu sehen bis am 22. Mai.