Seit fünf Jahren kämpft das BackwarenOutlet an der Güterstrasse 120 gegen Foodwaste. Mit dem Verkauf von Überproduktionen an Backwaren, Obst und Gemüse zum rund halben Marktpreis. Wieso Sozialwirtschaftlichkeit wichtiger ist denn je und wie man 13 Kinder grosszieht: Wir haben Mitgründer Berto Dünki zum Gespräch getroffen.

Es gibt Menschen, die dir bei jeder Gelegenheit unter die Nase reiben, wo sie überall studiert, welches Buch sie wann gelesen und welche Firmen sie bereits erfolgreich geführt haben. Dann gibt es andere; Menschen wie Berto Dünki, der mir in einem Nebensatz verrät, dass er 13 Kinder grossgezogen hat; mir bescheiden mitteilt, Mobility mitgegründet zu haben, und zugibt, bewusst nur noch mit jüngeren Menschen Projektumsetzungen angehen zu wollen – schliesslich sollen seine Ideen, Visionen und Lösungen nach seinem Abgang weiter wachsen, weiter leben können.

Doch das ist nicht alles: Der ursprünglich ausgebildete Marketingberater hat auch ein Lehrerseminar, das Wirtepatent und Erfahrung als Vogelwart in der Tasche. «Ich bin halt ein alter Mann», begründet er seinen facettenreichen Lebenslauf, «ein bildungswütiger noch dazu!»

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Mit 66 Jahren ist Berto Dünki zwar noch nicht wirklich ein alter, aber durchaus ein gestandener Mann. Trotz Pensionierung denkt der Mitgründer vom BackwarenOutlet jedoch noch lange nicht ans Aufhören. Im Gegenteil! Am Donnerstag, 19. November, wurde gefeiert: Das sozialwirtschaftliche Basler Unternehmen, das Überproduktionen zum rund halben Marktpreis verkauft, zelebrierte nämlich das Fünfjahresjubiläum.

«Eigentlich hatten wir Grosses geplant. Doch Corona hat uns, wie so vielen anderen, einen Strich durch die Rechnung gemacht», so Berto. Drum werde halt im kleinen Rahmen gefeiert. «Am Jubiläumstag haben wir unserer gesamten Kundschaft lediglich exzellente Schöggelis verteilt. Allerdings wären auch diese vernichtet worden. Wir sind uns also auch da treu geblieben.»

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Das BackwarenOutlet ist weit mehr als eine Verkaufsstelle für Brot, Sandwiches, Patisserien und andere kulinarische Köstlichkeiten, die in den rund 15 Partner-Bäckereien aufgrund von Überproduktion hätten weggeworfen werden müssen. Seit November 2015 warten die Backwaren an der Güterstrasse 120 (Zweitfiliale an der Vogesenstrasse 28) auf ihre Retter. Frisches Grünzeug und indische Gerichte stehen ebenfalls zum Verkauf. Sogar schweizerisches, balinesisches oder indisches Catering wird, mit oder ohne balinesischem Tanz, angeboten.

«Unser Credo lautet: nichts der menschlichen Nahrungskette entziehen», erklärt Berto, «Solidarität im BackwarenOutlet bedeutet Solidarität mit den Armutsbetroffenen. Bleibt am Abend in unseren Filialen was übrig, verteilen wir dies an Bedürftige. Pro Woche kommen wir so in Kontakt mit rund 500 Menschen, die äusserst dankbar sind.»

Ein Beweis dafür, dass Sozialwirtschaftlichkeit funktionieren kann, ist die wunderbare Post-it-Zettel-Aktion im BackwarenOutlet. Wer mag, schreibt einen selbstbestimmten Betrag in Schweizer Franken auf einen Zettel, zahlt diesen Betrag am Tresen und klebt das Post-it an die eigens dafür bestimmte Wand. Menschen mit flacherem Portemonnaie dürfen sich an der Post-it-Zettelwand bedienen, mit dem ausgewählten Stück Papier zur Kasse gehen und ihre Konsumation, anstatt mit Bargeld, damit bezahlen. «Man könnte durchaus annehmen, dass diese Art des Butterfly-Systems gerne ausgenutzt wird. Doch weit gefehlt: Vielmehr handelt es sich um ein System mit hoher Disziplin auf beiden Seiten», so Berto.

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Grossfamilienvater mit Herz für Arme

Dass Berto nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht sozial unterwegs ist, zeigt sich unter anderem in der feinen Tatsache, dass er all seinen Mitarbeitenden diverse Ferienunterkünfte gratis zur Verfügung stellt. «Im Sommer können sich unsere Angestellten beispielsweise in einem Walliser Maiensäss erholen», erklärt er.

Und da war doch noch dieses kleine Detail mit den 13 Kindern. Wie zur Hölle kommt man dazu, so viele Menschen grosszuziehen?

Wir befinden uns in den Nach-68ern, damals war Berto noch als Lehrer tätig. Und verheiratet. Mit einer Frau, die beweisen wollte, dass sie nicht nur dazu da war, Kinder auf die Welt zu setzen. Berto hingegen hatte schon immer ein Herz für Kinder. Vor allem für Benachteiligte. So entschied sich das Paar für die Adaption und Betreuung nichtleiblicher Kinder.

«Ich interessierte mich aus politischer Sicht schon immer für Alternativen zu Heimen und Jugendgefängnissen», erklärt Berto. Seine Lösung: ein riesiges Haus im Zürcherland, in dem er, gemeinsam mit seiner damaligen Frau, benachteiligte Kinder mit Schwierigkeiten aufziehen konnte.

Nach ein paar Jahren wollte seine Ex-Frau dann doch plötzlich eigene Kinder haben. «Keine gute Idee», ist Berto auch heute noch überzeugt, «Wenn man mischt, ist es schwierig bis unmöglich, fair zu bleiben.»

Es folgte die Scheidung. Doch die Kinder und Berto wollten nicht aufgeben. So zogen sie in den Kanton Thurgau: «Das grosse Haus steht jetzt noch am Bodensee», erzählt Berto, der mittlerweile 14 Enkelkinder zu seiner Sippe zählt. «Ich bin ein aktiver Grossvater. Wenn die Kids Probleme haben, kommen sie schon – und das ist auch gut so!» Sein Rezept: Offenheit. Ob Polyamorie oder aktives Sexleben: Wenn’s in die Welt seiner Kinder passt, passe es auch für Berto.

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In rund einem Monat feiern sie alle gemeinsam Weihnachten. «Diese Kinder grosszuziehen, ist definitiv das Sinnvollste, das ich in meinem Leben gemacht habe!»

Und was würde er heute anders machen? «Ich musste einsehen, dass gewisse Ideen – wie beispielsweise der zusätzliche Verkauf von Taschen im BackwarenOutlet – nicht funktioniert haben.» Doch rückgängig machen würde er nichts. Im Gegenteil: Für Berto Dünki gibt’s keinen Stillstand. Nur ein Vorwärts. Die Ideen sind dauernd am brodeln. Neue Projekte stehen bereits in der Pipeline. Kleine Verschiebungen gibt’s auch im BackwarenOutlet: Dank speziellem Teesieb in hübschem japanischen Geschirr werden die Gäste neu in den Genuss von gleich mehreren Portionen und Sorten kommen.

Auch der GundeliTreff soll bald eröffnet werden. Eine Kooperation zwischen dem Gundeldinger Quartierverein und dem BackwarenOutlet. «Dieser Treffpunkt kann jedoch keinesfalls das Hauptgeschäft an der Güterstrasse 120 ersetzen, wir bleiben hier!», so Berto. Recht so!

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Bilder: Basel Happens