Die Modewelt ist ein Zirkus – Claudia Güdel spielt da nicht mit. Mit ihrem Label setzt sie auf Funktion, Komfort und Nachhaltigkeit. Schrillen Trends antwortet sie mit Zurückhaltung, kurzlebigen «Fashion Must-Haves» mit beständiger Qualität. Ihr Erfolg gibt ihr seit nunmehr 20 Jahren Recht. Im Gespräch erzählt sie von schwierigen Anfangsjahren, von ihrer Verbundenheit zu Basel und von ihrer eigenen Spiessigkeit.

Was ich von Modemacherinnen weiss, kommt überwiegend vom Trash-TV. Kein Wunder also, sitzt mir bereits bei den Vorbereitungen zum Treffen mit Claudia Güdel ein kleiner, exzentrischer Karl Lagerfeld auf der Schulter und plappert mir ins Ohr. So bin ich mir ziemlich sicher, dass die Begegnung mit Claudia eine mit einem mutmasslich neurotischen, zerstreuten Menschen werden wird und sehe vor meinem inneren Auge bereits ein Hündchen im süssen Pullöverchen herumrennen, während ich um Claudias ungeteilte Aufmerksamkeit kämpfe. Der kleine Karl hüpft bereits vor Claudia Güdels Atelier von meiner Schulter und verschwindet auf Nimmerwiedersehen. 

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In der ehemaligen Seifenfabrik an der Markgräflerstrasse im tiefsten Kleinbasel gibt’s kein Schickimicki, keine hungrigen Models, ein Hündchen auch nicht, dafür entspannte elektronische Musik und ein kreatives Chaos. Teilweise antik anmutende Nähmaschinen stehen herum – alle in Gebrauch – zudem Kleiderständer voller Kollektionen. Hier ein Bügeleisen, da ein paar Schnittmuster, dort einige Stoffproben, Fadenspulen, Nadelkissen.  Irgendwo stehen Wanderschuhe. Claudia Güdel ist mitten in den Vorbereitungen für ihr 20-jähriges Jubiläum. Es soll eine grosse Party geben und eine Modeschau, inszeniert als Wanderung durchs Atelier. Was es damit auf sich hat? Wandern ist Claudias Passion. In der Natur findet sie Inspiration und tankt Energie. Der Modezirkus ist ihr ein Graus. Divenhaftes Verhalten, Verschwendung oder Oberflächlichkeit sind ihre Themen nicht. Sie mag es naturverbunden, bescheiden, freundlich. 

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«Ich bin keine Modeexpertin. Ich mache Kleider.»

20 Jahre ist es her, als die in Zürich aufgewachsene Claudia Güdel in Basel ihr Unternehmen gegründet hat. Dabei war es nie ihre Absicht, Mode zu machen. «Ich bin da eher so reingerutscht, hatte einfach Lust, etwas zu kreieren. Ich bin eine Macherin, packe gerne an», erzählt sie mit ruhiger Stimme. Um ihren Hals hängt eine Schere und ein Massband. Auf meine affektierte Modemäuschen-Frage, welches Kleidungsstück ihrer Meinung nach jede Frau im Schrank haben sollte, antwortete sie denn auch schulterzuckend: «Ich bin absolut keine Modeexpertin. Ich mache Kleider. Ich finde nicht, dass es etwas gibt, dass man haben muss ausser Socken und Unterhosen.» Sympathisch pragmatisch ist sie, was sich auch in ihrer Kleidung widerspiegelt. «Funktionsbekleidung», nennt sie ihre Stücke, die zum Wandern genauso getragen werden können wie zum Arbeiten oder Apérölen. 

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Klare Linien, schlichte Farben, robuste Stoffe; durch das zurückhaltende Design und die qualitativ hochwertige Verarbeitung sind Claudia Güdels Stücke jahrelang treue Begleiter. Viele ihrer Modelle sind zudem wendbar, können auf zwei Seiten getragen werden. Ihre Arbeit ist jedoch weit mehr als praktisch. Die Stoffe und Muster sind sogar oft ziemlich cool – oder anders gesagt: modisch. Auch wenn sie selbst sich von dem Begriff distanziert. Es verwundert deshalb nicht, dass ihr Label seit 20 Jahren auf dem Markt ist. Eher verwundert es sie selbst, dass sie es geschafft hat, 20 Jahre durchzuhalten. Nach der Kunstgewerbeschule Zürich und dem Studium am HyperStudio musste sie ihr Modeschaffen nämlich jahrelang querfinanzieren. «Ich habe nebenher Informatik unterrichtet, das hat mir die Fixkosten gedeckt.» 

 

Bereits seit 18 Jahren arbeitet sie in ihrem Kleinbasler Atelier. Erst vor 13 Jahren hatte sie den Mut, einen Laden in Zürich zu eröffnen. Mit Erfolg. Vor 11 Jahren kam ein zweiter Laden in Basel dazu. Dennoch zählt ihr kleines Unternehmen bis heute lediglich sechs Mitarbeitende, die in Basel die Kollektionen entwickeln und die beiden Geschäfte führen. Was im Text unbedingt erwähnt werden müsste, frage ich sie gegen Ende unseres Gesprächs. «Dass ich nur eines von mehreren kleinen Basler Labels bin. Dass wir alle mit viel Idealismus und Freude dabei sind, weil es uns wichtig ist, dass nicht alles standardisiert ist und dass die Stadt durch uns eine individuelle Vielfalt bekommt. Und dass wir seit eh und je nachhaltig arbeiten, auch wenn wir es nicht ständig betonen …», grinst Claudia und macht sich wieder an die Arbeit. Ruhig und konzentriert. Es gibt noch viel zu tun.

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20 Fragen an Claudia Güdel

 

Wie viel Zeit verbringst du an der Nähmaschine?

Im Moment sehr viel und sehr gerne. Ich mache Verarbeitungsmuster, sprich, ich tüftle zum Beispiel daran herum, wie man Taschen von verschiedenen Seiten benutzen kann. Schon als Kind habe ich Puppenkleider genäht und im Teenie-Alter haarsträubende Klamotten für mich selbst. 

 

Der schlimmste Modetrend, den du mitgemacht hast?

Ich hatte einmal eine Dauerwelle. In einem Austauschjahr in den USA. Damals habe ich versucht, voll in die amerikanische Kultur einzutauchen …

 

Warst du auch Cheerleaderin?

Nein, American Football Spielerin. Die Dauerwelle hat weder zu mir noch zum Sport gepasst. 

 

Was hält dich in Basel?

Ganz viel: Die Stimmung in der Stadt, die Leute – es gibt viele Macher, wie ich einer bin, man hält zusammen und hilft sich aus. Und natürlich die Grösse der Stadt, das kulturelle Angebot und der Rhein. 

 

Was schiebst du schon ewig vor dir her?

Eine Weiterbildung, vor allem im technischen Bereich, würde mich interessieren. Ich möchte einmal etwas mitentwickeln, das wirklich Sinn macht – zum Beispiel Kleidung, die Energie erzeugt.

 

Etwas, das du von deinen Grosseltern gelernt hast.   

Bescheidenheit. Nicht nur gesund.

 

Was ist das Erwachsenste, das du machst?

Chefin sein. Ui. Ganz schlimm. Ich mag viel lieber Teamwork.

 

Was ist an dir spiessig?

Mein Ordnungssinn. Ich brauche Strukturen, um funktionieren zu können. 

 

Was glaubst du, hat es für Vorteile alt zu sein?

Das möchte ich gerne noch herausfinden. Man sagt ja, man werde abgebrüht, aber das stimmt nicht.

 

Für was ist es jetzt bei dir zu spät?

Für nichts. Ich habe noch sehr viel vor.

 

Ein aktueller Trend, den du für Blödsinn hältst?

Aufgeklebte Fingernägel.

 

Welchen Song kannst du komplett mitsingen?

Von A bis Z? Keinen einzigen. Sogar bei Mani Matter Songs fehlen mir Zeilen …

 

Die beste Reise, die du je gemacht hast?

Ich war zehn Tage lang allein wandern im Jura. Das hat mir sehr gutgetan. 

 

Was kannst du fehlerfrei kochen?

Linsensalat.

 

Dein liebstes Schimpfwort?

Ich schimpfe kaum.

 

Welche Superkraft hättest du gerne?

Gelassenheit.

 

Was kann man von dir lernen?

An etwas dranzubleiben, freundlich zu sein und Abläufe durchzudenken.

 

Dein letzter Fehlkauf?

300 Meter Stoff, dessen Farbe mir in der Fläche nicht gefällt. 

 

So bleiben oder sich ändern?

In der Veränderung bleiben. 

 

Bücher, Netflix oder Musik?

Musik! Hip Hop, Techno, Klassik, Radio X – I love it!