Was macht ein Bartender eigentlich in seinem «Zwangsurlaub»? Wir haben bei Leonardo Mesmer, Chef de Bar aus dem Art House, nachgefragt.

Leo, weisst du noch, wann du zum letzten Mal hinter der Bar gestanden bist? 

Ja, letzten Samstag. (lacht) Das Hotel Art House war während beiden Lockdowns geöffnet. Allerdings war das F&B Angebot über weite Strecken auf ein Minimum beschränkt. So habe auch ich während mehreren Monaten nicht mehr für Gäste gemixt. Dafür habe ich bei zahlreichen Online-Competitions teilgenommen und meine Drinks an diversen, teilweise auch verrückten Orten, angeboten.

#Foto 29.01.21, 13 38 08.jpg

Eine Krise ist immer anstrengend. Und bietet grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Entweder man steckt den Kopf in den Sand oder man schaut vorwärts und erfindet sich vielleicht sogar neu. Zu welchem Typ gehörst du?

Ich würde mich definitiv zum zweiten Typ zählen. Ich durfte während des zweiten Lockdowns die Position des Chef de Bar bei uns im Haus übernehmen und habe die «zwangsfreie» Zeit somit intensiv genuzt. Beispielsweise indem ich die komplette Cocktailkarte überarbeitet und meine Handschrift mit einfliessen lassen habe. Zudem habe ich bei der ersten Schweizer Bottled Cocktail Competition teilgenommen. Mein Cocktail «Märli-Tante» hat es ins Top-3-Finale geschafft und wird nun in Flaschen abgefüllt und online verkauft.

Was war die Motivation für die Teilnahme an dieser Competition?

An Cocktail-Competitions mag ich grundsätzlich, dass ich aus meiner Komfortzone herausgeholt werde. Die Konkurrenz ist wahnsinnig stark, die Aufgabenstellung bei jedem Wettbewerb anders. Es wird also nie langweilig! Ausserdem war es in diesem Fall auch meine Liebe und Faszination zu Cognac, die mich motiviert hat. Ich habe mich für einen wunderbaren Cognac von Rémy Martin als Basisspirituose entschieden. Mein Ziel ist es, Cognac einer anderen, jüngeren Zielgruppe näherzubringen, und das leider etwas verstaubte Image, das dieses tolle Produkt hat, zu revidieren.

 

Wieso hast du deinen Cocktail ausgerechnet der «Märli-Tante» gewidmet und was steckt drin?

Trudi Gerster war meine Märli-Tante und eine Heldin meiner Kindheit. Mein Bottled Cocktail ist also ihr und meiner grossen Liebe zu Märchen gewidmet. Während den letzten Monaten ist nicht nur ein grosser Teil meiner Arbeit, sondern auch meiner Freizeitgestaltung weggebrochen. Die Geschichten standen aber jederzeit zur Verfügung, und unter den Geschichten sind Märchen für mich die Magischsten. Sie entführen den Leser oder die Leserin für einen Moment in eine andere Welt. Ausserdem finde ich es gerade in der aktuellen Zeit, wo so viel über den Wahrheitsgehalt von Fakten und Zahlen gestritten wird, sehr spannend, mich mit etwas zu beschäftigen, das nicht den Anspruch hat, wahr oder logisch zu sein. Genau den gleichen Anspruch habe ich an meine «Märli-Tante»: Die Geniessenden sollen sich für einen Moment in eine andere, gemütlichere Welt entführen lassen.

#IMG_5023[6926].JPG

 

Welches ist dein Lieblingsmärli?

Das ist eine schwierige Frage, aber eins meiner Lieblingsmärchen ist sicher «De Wolf und die drei Säuli».

 

Was springt für dich heraus, wenn du gewinnst?

Ruhm, Ehre und ein (sehr) bescheidenes Preisgeld. Ausserdem wäre es eine tolle Bestätigung und Anerkennung für meine Arbeit.

Wie verbringst du deinen Covid-Alltag sonst, wenn du nicht grad neue Rezepte kreierst und an Wettbewerben teilnimmst?

Ich nehme an Online-Degustationen teil. (lacht) Auch sonst probiere ich, auf dem neusten Stand zu bleiben. Als gelernter Koch koche ich für mein Leben gerne und verbringe die freie Zeit gerne in der Küche.

Worauf freust du dich am meisten, wenn du dann endlich wieder im Art House stehen und Drinks für alle mixen darfst?

Am meisten habe ich die Gäste vermisst. So bin ich sehr glücklich, jetzt wenigstens an den Wochenenden wieder die Möglichkeit zur Interaktion zu haben – auch wenn momentan «nur» mit Hotelgästen. Ich freue mich auf den Moment, wenn wieder alle Plätze besetzt sind, und wieder Normalität einkehrt.

 

Gibt es auch etwas, das du so gar nicht vermisst aus deinem Bartender-Alltag?

Eigentlich nicht. Ausser die Gäste, die ihren schlechten Tag an uns Gastronomen auslassen. Aber das sind zum Glück seltene Fälle!

Was nimmst du an Positivem mit aus dieser Krise?

Mir ist noch einmal ganz klar gezeigt worden, wie sehr ich meinen Job liebe. Ausserdem hoffe ich, dass die Gäste nach der langen Zeit ohne die Gastro vielleicht auch ein bisschen gemerkt haben, wie wichtig wir doch für ihren Alltag sind.

 

Du hast deine Heimat Winterthur für den Job gegen Basel eingetauscht. Was gefällt dir besonders an der Rheinstadt?

Basel ist eine tolle Stadt mit einer der bestvernetzten Barszenen der Schweiz. Es gefällt mir auch, wie international und lebendig es hier ist. Und der Rhein trägt natürlich absolut zur Lebensqualität bei.

Wo wirst du dir deinen ersten Feierabenddrink genehmigen, wenn man dann endlich wieder kann?

Ich werde eine ausgedehnte Bartour machen, um all die bekannten Gesichter hinter den Bars endlich mal wieder zu sehen.

#Diana und Simon17.jpg