Im Jahr 1888 zählte das Stadtgebiet Basel ganze 86 Brennereien. An jeder Ecke wurde gebrannt und destilliert. Es war nur eine Frage der Zeit, bis sich ein intensiver Gestank auf den Strassen aufgrund von Brennrückständen breitmachte und sich der Alkoholkonsum drastisch erhöhte. Diese Übel zu bekämpfen, erforderte ein Eingreifen der eigens zu diesem Zwecke gegründe- ten eidgenössischen Alkoholverwaltung. Die Folge davon war ein massiver Rückgang der Brennereien, bis keine einzige davon übrigblieb. Heute stehen wieder zwei Destillerien auf städtischem Boden, eine davon ist die «Stadtbrennerei».

Geführt wird die Stadtbrennerei, in deren Räumlichkeiten sich früher eine Kutschenremise und später ein Gymnastikstudio befanden, von den Brüdern Tobias und David Buser. Ihre Familie ist bereits in fünfter Generation eng mit diesem mehrstöckigen Haus im Kleinbasel nahe der ehemaligen Stadtmauer verbunden. Die Brennerei konnte Ende 2017 zum ersten Mal in Betrieb genommen werden, als die bürokratischen Hürden überwunden und alle Auflagen erfüllt waren.

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Bekannterweise haben in der Schweiz eher Obstdestillate ihre feste Tradition, als Alkohol, der durch die Destillation aus Getreide gewonnen wird. Dies hinderte die Brüder nicht, sich anfänglich auf die Herstellung des Nischenprodukts Getreidebrand (in Deutschland «Korn» genannt) zu fokussieren. Doch dieses technisch anspruchsvolle und aufwendige Handwerk will gelernt sein. Tobias Buser war nach seiner ursprünglichen Ausbildung als Winzer an der Zürcher Hochschule ZHAW in Wädenswil, dem früheren Kompetenzzentrum des Deutschschweizer Weines, tätig. Da ihn die Destillation als technischer Prozess faszinierte, erregte damals eine verwaiste Destillationsanlage im dortigen Versuchskeller seine Aufmerksamkeit. Er hauchte dem Wädenswiler Brennofen neues Leben ein und sein weiterer Werdegang in Richtung Spirituosenherstellung war beschlossene Sache. Da es in der Schweiz per Gesetz keine Berufsausbildung zum Destillateur geben darf, begab sich Buser auf den Weg nach Berlin an die Preussische Spirituosen Manufaktur, die ihren Ursprung 1874 hat. Die Gründung dieser alteingesessenen Produktionsstätte geht auf keinen Geringeren als Kaiser Wilhelm I. zurück, der eine Veredelung des aus landwirtschaftlichen Rohstoffen hergestellten Alkohols wünschte. Mit dem dort angeeigneten Wissen kehrte er in die Schweiz zurück und entschied sich dazu, mit seinem Bruder selber Alkohol zu brennen. David, der aus dem kaufmännischen Bereich kommt, eignete sich durch verschiedene Kurse ebenfalls Wissen zur Destillationstechnik an und so produzieren sie heute immer gemeinsam ihre Spirituosen.

Uns war es wichtig, dass der Weizen regional und bio ist.

Angefangen mit Wodka erweiterte sich das Sortiment nach und nach. Als zweites Produkt lancierten die Brüder den Getreidebrand aus Weizen. Im Gegensatz zum geschmacksneutralen Wodka war es ihnen gemäss Tobias Buser ein Anliegen, «dass man möglichst die Herkunft schmeckt und der Charakter des Weizens im Gaumen und in der Nase greifbar wird». Daher entschieden sie sich von Beginn an, Bioweizen von der Graf Mühle in Maisprach zu beziehen. Die Idee dabei war, den Weizen auf das Feld zurückverfolgen zu können, auf dem es angebaut wird: «Uns war es wichtig, dass der Weizen regional und bio ist.»

Offene Türen bei den Busers

In der Herstellung ihres Alpenkräuterbitters zeigt sich die Vielfalt der Handwerkskunst, die Tobias Buser aus seiner Zeit in Berlin mitgenommen hat. Beim Kräuterbitter wird das Verfahren der Mazeration angewendet, sprich, es findet keine Destillation statt, sondern die Kräuter werden im Alkohol eingelegt. Wie bei den anderen Produkten besteht auch diese Spirituose aus natürlichen Produkten und auf die Verwendung von Farbstoffen wird selbstverständlich verzichtet.

Nach der Herstellung von traditionellem Absinth, Traubentrester und Doppelwacholder tasteten sich die Busers an die Spirituose Gin heran, gegen dessen Aufnahme ins eigene Sortiment sie sich «lange gesträubt» und den sie lediglich als Dienstleister für andere produziert hatten. «Gin ist nach wie vor eine Spirituosenkategorie, zu der jeder Bezug hat. Da kommt man nicht drum herum.»

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Als gelernter Winzer hat Tobias Buser seine Leidenschaft für die Traubenverarbeitung nie aufgegeben. So haben die Brüder neben der Spirituosenproduktion mit der Herstellung von Schaumwein ihr zweites Standbein. Vom Ernten, dem Rütteln nach der Lagerung, dem Degorgieren (Enthefen) bis hin zum Verkorken und Etikettieren wird bei diesem «Liebhaberprojekt» alles selbst gemacht. Pro Jahr werden auf diese Weise rund 1500 Flaschen produziert. Jeder Jahrgang schmeckt dabei unterschiedlich, da sie sich «gerne die Freiheit nehmen, zu experimentieren».

Auf die Frage, was er am liebsten herstellt, fällt Tobias Buser die Antwort schwer, denn dies ändere sich immer wieder. Bei der Anfertigung des Schaumweins fasziniert ihn das Abdecken der gesamten Produktionsschritte, beim Traubentrester und Getreide verwandeln sie Rohstoffe in Alkohol und bei der Herstellung von Gin oder Alpenkräuterbitter veredeln sie den bestehenden Alkohol. «Wir können alles abdecken. Dies macht die Arbeit so vielfältig und man kann sich immer wieder auf das freuen, was kommt.»

Hohe Handwerkskunst im Herzen Basels

Die Energie, die für die Destillation benötigt wird, wird im Technikraum mit Stückholz produziert – sicherlich eine Besonderheit mitten im Stadtgebiet. Auf mögliche Alternativen wie ein dickes Stromkabel oder gar fossile Energieträger wie Gas oder Erdöl wollten sie bewusst verzichten. So produzieren sie nun Dampf mit Holz vom Gempen, das sie selber vom dortigen Bezirksförster beziehen. Ebenfalls im Technikraum werden Wasser enthärtet und Rauchgas vom Ofen filtriert. Zusammen mit dem Produktionsraum und dem Lagerplatz hat die Stadtbrennerei eine Grösse von nur rund 100 m2. Weitere Lagerungsmöglichkeiten im selben Haus bringen ab Ende Jahr zum Glück Entlastung.

Ihre Produktionsstätte machen Tobias und David Buser gerne für die Öffentlichkeit zugänglich: «Wenn wir da sind, ist die Türe immer offen», betont Buser. In zahlreichen Betriebsführungen zeigen sie in ihren Örtlichkeiten die verschiedenen Stationen der Produktionsabläufe und liefern den interessanten geschichtlichen Hintergrund des Destillierens. Transparenz ist ihnen auch bei den Inhaltsangaben ihrer Getränke wichtig. Daher werden beispielsweise auf dem Etikett ihres Gins sämtliche Inhaltsstoffe und auch deren Reihenfolge nach verwendeter Menge genannt. Bei den Zutaten achten sie darauf, die Zusätze nur aus Mitteleuropa und nördlich der Alpen zu beziehen. Wacholder ist glücklicherweise bei uns in der Schweiz heimisch. Um die zitrische Komponente in den Gin zu bringen, greifen die Brüder auf Pflanzen wie die Gundelrebe und die Eberraute zurück. Das komplexere Herstellungsverfahren, das sich aus dem Verzicht der Zitrone ergibt, schreckt die beiden Produzenten nicht ab: «Wir wollten es uns bewusst nicht leicht machen.»

Der Weg der Transparenz ist zielführend und bindet letztlich die Kundschaft eher an einen Betrieb als die Anwendung von althergebrachten Tricks.

Mit der Veröffentlichung der Inhaltsstoffe und ihrem traditionellen Handwerk möchten die Busers einen Gegenpol zum vorherrschenden Duktus der etablierten Nahrungsmittelindustrie setzen, die «nicht gerade mit Transparenz und Ehrlichkeit gesegnet ist». Auch im Spirituosensektor gibt es immer noch viele Hintertüren. Getränke können mit Abrundungszuckerung versehen werden, die nicht deklariert werden muss. Jedoch sei die zunehmende Transparenz erfreulich, denn dies sei der «einzige zielführende Weg, der die Beziehung von Kunde und Produzent auf weite Sicht angenehm gestaltet».

Auch an der Genusswoche Basel 2021 erwartet die Besucher der Stadtbrennerei Offenheit. Interessierte haben die Möglichkeit, die Spirituosen zu degustieren und an verschiedenen Daten einen Crashkurs zum Thema Schnaps zu erhalten. Dabei werden verschiedene Grundlagen und die Wortherkunft erläutert, ein geschichtlicher Abriss gegeben, die verschiedenen Kategorien vorgestellt und mit den Besucherinnen und Besuchern über Aromen und Geschmack diskutiert.

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Bereits an der Genusswoche 2020 hat die Stadtbrennerei mit ihrer provokanten Frage «Macht guter Geschmack einsam?» zur Diskussion angeregt. «Je charaktervoller und komplexer ein Getränk ist, desto schwieriger ist es, dieses zu verstehen», meint Tobias Buser. Entgegen der noch weit verbreiteten Meinung, Männer seien eher «Schnapstrinker» als Frauen, würden gemäss Buser Frauen ihren Getreidebrand besser begreifen als Männer und die fruchtigen Tendenzen, die sich in der Nase breitmachen, sehr zu schätzen wissen. An der diesjährigen Genusswoche haben Sie die Gelegenheit, herauszufinden, ob die Spirituosen der Busers auch Ihren Geschmack treffen. In diesem Sinne: Lassen Sie uns an der kommenden Genusswoche gemeinsam einsam sein!

Text: Salome Ruf