«California dreamin’...!» – für Andreas aus Basel seit fünf Jahren Wirklichkeit!

Es ist eine äusserst spannende Geschichte, nämlich die von Andreas aus Reinach. Hätte man ihm vor zehn Jahren prophezeit, dass er innerhalb der nächsten Dekade in San Francisco leben werde, hätte er es vermutlich nicht geglaubt. Nicht aufgrund einer möglichen Antipathie gegenüber des Ortes; denn, sind wir ehrlich, wem gefällt «the sunny state» Kalifornien wohl nicht? Nein, eher, wenn er die Ursache und deren Konsequenzen, welche zu seinem neuen Zuhause geführt haben, gehört hätte.

Wir stammen von einem kleinen Land, sind mit vielen Kulturen und Eigenheiten aufgewachsen, sind quasi prädestiniert, uns an einem anderen, neuen Ort einzufügen. Die gewisse Bescheidenheit und Offenheit; vor allen Dingen die Offenheit im Denken ermöglichen auch eine gute Performance, selbst im kompetitivsten Umfeld.

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Aber beginnen wir chronologisch. Der Anfang markierte die klassische Weiterbildung an der SAWI in Biel in den Bereichen Kommunikation und Marketing. Danach, Ende der 90er Jahre, bewies Andreas ziemlichen Mut und schrieb sich für den allerersten Durchlauf, das Pilotprojekt, des Hyperwerks der FHNW Basel zum dreijährigen Weiterbildungsgang «Interaktionsdesigner» ein. Mehr oder weniger parallel machte er sich mit der damaligen Webagentur Silversite selbständig und führte diese rund zehn Jahre. Es folgte eine Phase der Arbeit als selbständiger Designer und Berater. Der grösste Teil der Aufträge stammte aus der Schweiz, immer mal wieder aber auch aus New York. In der selben Zeit gründete Andreas mit Partnern aus den USA die Galerie Aureus Contemporary. Es war eine völlig neue Art von Galerie-Konzept, welches nicht über einen fixen Standort verfügte, sondern von 2009 bis 2014 sowohl online, wie auch an Kunstmessen in Europa und den USA präsent war.

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Vor sieben Jahren dann begann, was verantwortlich zeichnet, dass Andreas heute in Kalifornien lebt und arbeitet. In Basel, direkt am Barfüsserplatz, trat er eine Teilzeit-Stelle als «einfacher Designer», wie er heute sagt, bei Adobe an. Praktisch einem jeden Leser dämmert es wohl leise: Adobe ist die Firma, welche nicht nur für die Konvertierung eines regulären digitalen Dokumentes zu einem portablen zuständig ist (PDF), sondern 1987 mit der allerersten Version des Grafikprogramms Adobe Illustrator die Grafikwelt in grösstem Masse revolutionierte. Bis zu diesem Datum arbeiteten Grafiker noch analog mit Linealen und Klebebuchstaben. Nebst den unverzichtbaren Programmen wie beispielsweise Photoshop, InDesign und After Effects, mit welchen sie sich an die Weltspitze katapultiert haben, sind sie markführend in der Kreation und Distribution des digitalen Marketings und dessen Inhalt.

Aber zurück an den Barfüsserplatz. Andreas’ Hauptpräsenz war in Basel, immer wieder musste er aber zu den Headquarters von Adobe nach San Francisco reisen. Keine zwei Jahre nachdem er begonnen hatte, erhielt er die Anfrage, ob er nicht an die Westküste ziehen möchte. Es wäre viel einfacher, denn seine Arbeit werde hier gebraucht und sehr geschätzt. Und zu Letzterem kann man anfügen: Niemand hat in der Geschichte von Adobe jemals so schnell Karriere gemacht wie Andreas. Vom, wie eingangs schon erwähnten, «normalen Designer» stieg er innerhalb von sieben Jahren zum Design Director auf. Seit eineinhalb Jahren leitet er nun einen Teil der Adobe Design-Organisation. Als kleiner Einschub für den Leser frage ich Andreas, was der User, also wir alle, von seiner Arbeit wahr nehmen? «Als User ist unsere Arbeit vielleicht auf den ersten Blick nicht gleich erkennbar. Aber durch unsere Experience-Cloud, welche alle grossen Marken für ihre Kommunikation benutzen, sind wir quasi omnipräsent. Wir stellen die Produkte, Tools und das Gerüst für die digitale Kommunikation her und zur Verfügung», erklärt mir Andreas.

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«What a performance, was für ein Kompliment auch von deinem Arbeitgeber!», sage ich zu Andreas. Brauchtest du lange, um dich dafür zu entscheiden?, möchte ich weiter wissen. «Natürlich war die Entscheidung ein Prozess mit ganz vielen Überlegungen. Aber eigentlich ging das dann relativ schnell», sagt mir Andreas.

So nah an einer Metropole zu sein und die unmittelbare Nähe zur Natur ist natürlich ein ungemeiner Mehrwert von Sausalito.

Im ersten Jahr lebte er im Stadtteil Mission. Dieses quirlige Quartier zeichnet sich durch viele Kunstgalerien, einladende Cafés, Fusion-Restaurants, Shops und Boutiquen aus. Da viele Lateinamerikaner hier leben, spürt man den entsprechend lebendigen Einfluss überall. Da in den Staaten zeitlimitierte Mietverträge eher Usus sind, ergab es sich als grossen Glücksfall, dass er sein wunderschönes Haus in Sausalito übernehmen konnte. Sausalito befindet sich ungefähr 30 Minuten mit dem Auto oder Bus vom Zentrum San Francisco’s entfernt oder ist innerhalb einer 30-minütigen Fährüberfahrt zu erreichen. Die kleine, schöne, pittoreske Ortschaft befindet sich direkt an der Bucht, hier geläufig unter «Bay-Area», und ist dementsprechend vor allen Dingen bei schönem Wetter ein beliebtes Ausflugsziel. Die Häuser befinden sich alle am Hang und die Strassen schlängeln sich durch üppiges Grün, gespickt mit Zitrusbäumen und Blumen. Ein kleines paradiesisches Od. «So nah an einer Metropole zu sein und die unmittelbare Nähe zur Natur ist natürlich ein ungemeiner Mehrwert von Sausalito», lässt mich Andreas dankbar wissen. Sein Arbeitsweg führt ihn täglich über eines der Wahrzeichen San Francisco’s – die Golden Gate Bridge. Das hätte er sich früher bestimmt auch nie gedacht!

Zeitgleich mit der Übersiedlung über den grossen Teich erwachte sein Interesse am Rennrad. «Plötzlich einfach so?», frage ich ihn. «Nein, ich denke nicht. Einerseits bin ich als Junger viel mit dem Mountainbike gefahren, andererseits kam ich in den letzten Jahren als widerkehrender Geschäftsreisender immer am selben Fahrradladen vorbei. Irgendwie muss mich das unbewusst so angefeuert haben, dass ich rasch mit dem Rennvelofahren begann.» Erzählt mir Andreas und fährt sogleich fort: «Das Klima ist super, die Community gross, der perfekte Ort!» «Ist es denn nicht ziemlich anstrengend, mit all diesen steilen Serpentin-Strassen?», möchte ich wissen. Andreas lacht und meint: «Das ist ja eben das Herausfordernde!»

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«Du bist jetzt schon eine Weile hier. Gibt es etwas, dass du trotzdem noch schwierig findest?», frage ich Andreas gespannt. «Ja. Ganz klar, die momentane politische Situation mit der Trump-Ära. Diese zeigt sich durch ein allgemein negativeres Klima als vorher. Wobei da noch zu sagen ist, dass es Kalifornien wohl noch am Wenigsten tangiert. Trotzdem mache ich mir in diesem Kontext auch meine Gedanken. Seit fünf Jahren zahle ich hier Steuern. Natürlich überlegst du dir dann, weshalb du kein Wahl- oder Stimmrecht hast.»

«Und gibt es etwas, was du vermisst?», frage ich weiter.

«Ja», antwortet Andreas direkt und lässt mich weiter wissen: «Es ist natürlich nicht wie in Europa, wo man relativ schnell an den unterschiedlichsten Orten mit unglaublicher kultureller Vielfältigkeit und Historie ist. Ich bin hier quasi am anderen Ende der Welt!», lacht Andreas. «Aber ich meine, du bist am Meer, im Grünen, sehr nah an einer Metropole ... und nur schon deine Aussicht!», kontere ich sofort.

«Ich bin nicht nur ziemlich, sondern ausserordentlich beeindruckt von deinem Einrichtungsstil! Das müsste eigentlich in einem Interior-Design Magazin abgelichtet werden», meine ich ernst und frage gleich weiter: «Wie war der Anfang?» «Ich kam mit einem Budget hier hin und hatte in den ersten beiden Monaten eine Matratze und zwei Stühle. Das wuchs alles organisch», erklärt Andreas.

«Wie würdest du deinen Einrichtungsstil beschreiben?», möchte ich von Andreas wissen. «Die treffendste Beschreibung wäre wohl eine Mischung aus Eclectic, Californian Style und Mid Century», erklärt Andreas. Vieles stamme von Reisen, Anderes sei Vintage oder von lokalen Designern. Das Einzige, was er mitgebracht habe, sei Kunst. Er sei schon immer Kunst-Liebhaber gewesen und durch seine Tätigkeit im selben Sektor stammen sehr viele seiner Werke von Künstlern und Künstlerinnen, mit welchen sich Freundschaften entwickelt haben.

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«Gerne würde ich von dir noch wissen, was du anderen, welche möglicherweise auch vor so einer Übersiedelungsentscheidung, sei dies beruflich oder privat, stehen, mit auf den Weg geben kannst?» «Als Schweizer haben wir das grosse Glück, dass wir in der Regel immer wieder zurückkehren können. Des Weiteren, so denke ich, kommst du als Schweizer mit einem internationalen Denken daher und verfügst über den Vorteil der Sprachkenntnisse. Wer sich dafür entscheidet, dem würde ich raten, mit der Motivation zu gehen, um sich sicher mal für zwei Jahre zu verpflichten. Auch sich selbst gegenüber», antwortet mir Andreas und fährt gleich fort: «Wir stammen von einem kleinen Land, sind mit vielen Kulturen und Eigenheiten aufgewachsen, sind quasi prädestiniert, uns an einem anderen, neuen Ort einzufügen. Die gewisse Bescheidenheit und Offenheit; vor allen Dingen die Offenheit im Denken ermöglichen auch eine gute Performance, selbst im kompetitivsten Umfeld..»

Ich bedanke mich herzlich bei Andreas und bitte ihn zum Schluss inständig, dass er sich und sein Einrichtungsstil bitte bei einem Interior-Design Magazin für ein Feature anmeldet.