Sie ist bescheiden, selbstkritisch, feinfühlig und überaus vielseitig: Mit Steffi Klär kannst du hitzige Diskussionen führen und jazzige Duette singen, zu den Teskey Brothers schwelgen und zu den Queens of the Stone Age pogen. Sie kann sich selber Möbel bauen und dir einen anständigen Drink mixen. Grosses Herz und viel Talent – das ist Steffi. Ein Gespräch.

Erinnerst du dich an die Kuppel? Wenn ja, dann erinnerst du dich auch an Steffi Klär. 16 Jahre kümmerte sie sich um den Zauber dieser Kulturstät­te, um Gäste, Bands und das Team. Sie war immer unter Strom und ich fragte mich oft: Wann genau schläft sie eigentlich? Steffi holte nicht nur die wunderbarsten Acts ins Nachtigallenwäldli, sie schrieb auch hingebungsvolle Pressetexte, gestalte­te Flyer und umsorgte die Artists dermassen liebe­voll, dass die sich auch Jahre später noch an die Kuppel in Basel erinnerten.

DIE KUPPEL WAR EIN GANZ BESONERER ORT, SIE HATTE ETWAS MAGISCH VERBINDENDES, DAS BIS HEUTE NACHWIRKT.

Heute ist es etwas ruhiger geworden um die mittlerweile 46-Jährige – sie braucht nun auch etwas mehr Schlaf. Aber mit der Kultur­ und Gastronomie­szene verbunden ist sie nach wie vor: im Sääli organisiert sie die Jazzreihe «Soirée Lundi» und mit ihrer Kuppe-Mitstreiterin Jenny Jans den Musi­ker*innen-Treff «Mitten in der Woche» in der Kaser­ne. Sie singt bei Nicole Bernegger und kümmert sich um deren Management, engagiert sich im Verein Kultur & Gastronomie und arbeitet fürs Kulturbüro Riehen und das Theater Augusta Raurica. Ich treffe Steffi über Zoom. Saftige drei Stunden reden wir über das Leben, die Liebe und natürlich über Musik. Vieles aus dem Gespräch bleibt – ätsch! – unter uns. Einiges kannst du hier nachlesen.

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Liebe Steffi, leidest du an der chaotischen Weltlage?

Och, ich kann gut leiden und hatte im vergangenen Jahr auch privat viele schlaflose Nächte. Wenn ich sehe, wie unbarmherzig die Pandemie die Kultur- und Gastroszene trifft, wie dunkel der Horizont immer noch ist, möchte ich manchmal einfach den Kopf in den Sand stecken. Aber Musik holt mich immer und immer wieder aus der Krise. Mit Nina Simone, Ella Fitzgerald oder Billie Holiday kann ich ganze Nächte verbringen. Aber auch die Teskey Brothers, Kruangbin oder Joan As Police Woman haben mich über das letzte Jahr gebracht.

Wie seid ihr denn Freunde geworden, die Musik und du?

Ich hab schon als Teenie zu Cindy Lauper und Michael Jackson getanzt und stundenlang «Sweetest Taboo» von Sade mitgesungen. Aber eigentlich hab ich Klavierspielen gelernt. Das Singen kam später.

Wann?

Weil ich mich nicht für ein Studium entscheiden konnte, besuchte ich nach dem Gym parallel den Vorkurs an der Kunstgewerbe- und an der Jazzschule. Gleichzeitig begann ich im Atlantis zu jobben und sang in meiner ersten Band.

Nach dem -Tis kam die Kuppel. Welche Gefühle löst diese Zeit heute in dir aus?

Dankbarkeit. Das war eine so intensive Zeit. Ich werde bis heute richtig emotional, wenn ich darüber spreche. Die Kuppel war ein ganz besonderer Ort, sie hatte etwas magisch Verbindendes, das bis heute nachwirkt – da sind Freundschaften, Seilschaften, Projekte und ein Spirit, der bleibt.

IN DER KUPPEL KONNTE MAN WILD PARTY MACHEN UND DANN WIEDER GANZ MAGISCHE STILLE UND INTIME MOMENTE ERLEBEN - SIE BOT EINEM FÜR ALLES IMMER DEN RICHTIGEN RAUM.

Was machte die Kuppel als Club für dich so speziell?

Sie hatte die Fähigkeit, einem zauberhaft ruhige und absolut verrückte Momente zu bescheren. Da stand RZA, Kopf des Wu-Tang Clan, ein Weltstar, geduckt in unserem Mini-Backstage, bevor er auf die Bühne ging und in der kochenden Kuppel so nah am Publikum war, dass er es anfassen konnte. Da sprangen die Fans bei Fettes Brot so herum, dass ein Teil des Fussbodens einkrachte. Und am nächsten Abend konntest du eine Haarnadel fallen hören, wie zum Beispiel bei Tina Dico oder Naked Raven. Ja, in der Kuppel konnte man wild Party machen und dann wieder ganz magische stille und intime Momente erleben – sie bot einem für alles immer den richtigen Raum.

Du hast die Bands zu Kuppeleien ja auch immer so unfassbar liebevoll bekocht - kochst du für dich auch so aufwendig?

Ja. Kochen ist neben der Musik eine grosse Leidenschaft von mir. Seit ein paar Jahren lebe ich vegan und habe dadurch viel Neues entdeckt. Mit gutem Essen und guter Musik kann ich mich glücklich machen. Ich esse aber auch sehr gerne auswärts.

Wo denn?

Zum Beispiel im Goldenen Fass. Ich liebe es, mich blind in die Hände dieser Crew zu begeben. Das Fass ist einer meiner Lieblingsorte. Auch weil es Gastronomie, Barkultur und Musik verbindet. Es ist leidenschaftlich und etwas wild, das mag ich. Ich hoffe so, dass sie und all die anderen «goldenen» Gastro- und Kulturbetriebe, die diese Stadt so schön und reich machen, durchhalten und diese Pandemie überleben.

Unbedingt! Ich vermisse auch die Live-Musik so sehr ... was war eigentlich dein grösster Rock'n'Roll-Moment?

Bei den Queens Of The Stone Age direkt vor der Bühne , laut mitsingend und Pogo tanzend. Danach war ich tropfnass und unfassbar glücklich.

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Welche Konzerte sind dir sonst noch in besonderer Erinnerung?

Extrem viele und extrem unterschiedliche! PJ Harvey, Bon Iver, Iggy Pop, unzählige Basler und Schweizer Bands – wir haben so viele grossartige Musik hier – und Joan As Police Woman. Wenn sie singt, ist es, als ob ich jede Soundwelle spüre – und das ganz ohne Drogen! Und natürlich die Konzerte mit Nicole – mit ihr und der Band erlebe ich auch auf der Bühne oft Gänsehautmomente.

WARTE NOCH EIN BISSCHEN, ICH KOMME. LANGE WIRD ES NICHT MEHR DAUERN.

Spielst du eigentlich selber noch Klavier?

Also. Ich besitze eines. Und wenn es mich hin und wieder stumm anschaut, sage ich ihm: Warte noch ein bisschen, ich komme. Lange wird es nicht mehr dauern.

Was besitzt du sonst noch Spektakuläres?

Ich besitze überhaupt nicht viel! Aber... (Steffi kommt mit Plektrons, einem abgebrochenen Schlagzeugschläger und einem VIP-Ticket der Queens Of The Stone Age zurück vor den Bildschirm) hier, meine Konzert- Schätze! Ich mache mir nicht viel aus Besitz – Erlebnisse, gemeinsame Momente sind mir viel wichtiger.

Weisst du noch, was du als kleines Mädchen werden wolltest?

Ich hatte keine Vorstellungen über meine Zukunft, es hat mich einfach zu viel interessiert. Ich wollte mal Schriftstellerin werden. Und Tänzerin, weil ich damals Ballett tanzte. Ich hab oft das Gefühl, ich müsste eigentlich tanzen. Es ist in mir drin, aber ich mache es viel zu selten.

Das sind jetzt schon zwei Dinge, gell! Klavier und Tanzen ...

Jaja, ich weiss!

Wenn du dir Noten von 1 bis 6 geben musst, wie gut bist du als Small-Talkerin?

5. Ich kann’s schon, aber es ist eigentlich nichts, was mich interessiert. Ich habe lieber richtige Gespräche.

Als Handwerkerin?

5. Mein Bett hab ich selber gebaut. Allerdings krieg ich manchmal die einfachsten Dinge nicht auf die Reihe. Aber ich glaub, so grundsätzlich kann man mich brauchen.

Als Autofahrerin?

6! Ich war der Driver bei der letzten Tour der Band We Invented Paris. Und die Barchefin. Während jedem Song hab ich auf der Bühne einen Drink gemixt. Aber lustigerweise keinen Ton gesungen.

Dann hast du als Barkeeper auch eine 6?

Nein, weil ich weiss, was gute Barkeeper leisten. Das ist echtes Kunsthandwerk. Aber ich kann dir ein perfektes Bier rauslassen, einen gängigen Drink mixen und einen Wein schön präsentieren.

Wie gut bist du als Masseurin?

6! Ich habe starke Hände. Und ich kenne den Körper gut, weil ich selbst oft mit Verspannungen, diesen modernen Stress-Krankheiten, umgehen muss.

ICH WEISS ZWAR, DASS ICH INSELN FÜR MICH SCHAFFEN SOLLTE, ABER ICH HABE EINFACH MEHR FREUDE AM LEBEN, WENN ANDERE TEIL DAVON SIND.

Gibt es eigentlich etwas, das du nicht so gut kannst?

Ich kann immer besser für andere. Deshalb sitze ich nicht am Klavier und besuche keine Tanzstunden. Ich weiss zwar, dass ich Inseln für mich schaffen sollte, aber ich habe einfach mehr Freude am Leben, wenn andere Teil davon sind.

Was wünscht du dir musikalisch für dieses Jahr?

Dass ein gewisses Mass an Sicherheit zurückkehrt und damit ein Freiraum für Kultur und Kreativität. Damit man sich wieder mit gutem Gefühl auf etwas freuen kann als Publikum, als Band, als Veranstalterin oder Veranstalter. Wenn du ständig im Konjunktiv planen, alles mit Handschuhen anfassen und kontrollieren musst, wenn nichts einfach mal geschehen kann, dann ist es schwierig, dass der Funke überspringt. Die Kultur- und Musikszene braucht dringend Hoffnung, Lichtblicke, und ich glaube, wir alle brauchen diesen Funken, dieses Feuer, um nicht abzulöschen.

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