Die Schuhmacher in Basel werden leider immer rarer. Einer, der dem traditionellen Handwerk seit 30 Jahren nachgeht, ist Roland Meister von der Schuhmacherei am Nadelberg. Ein Besuch in seiner Werkstatt wirkt nicht nur entschleunigend, sondern macht auch deutlich, dass früher vielleicht nicht alles, aber vieles besser war.

In unserem schnelllebigen, reizüberfluteten, digitalisiert-dominierten Alltag kann es wahnsinnig entspannend wirken, eine traditionelle Handwerkstatt zu besuchen.

Deshalb schaue ich heute mal wieder in der Schuhmacherei am Nadelberg vorbei.

Aus dem Radio ertönt klassische Musik. Es riecht nach Leder, nach Öl, nach Handwerk. Kurz: Es riecht nach wahrem Leben.

Im August 2023 sind es 30 Jahre, seit Roland Meister hier Schuhe nach Mass anfertigt, repariert und, wie er selbst sagt, auch immer wieder renoviert. «Es ist unglaublich, was gewisse Menschen ihren geliebten Schuhen antun», schmunzelt der charismatische Schuhmacher.

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«Vegane Schuhe sind in meinen Augen ein Furz. Denn woher stammt das Rohöl, welches für die Herstellung verwendet wird?»

Bei Roland zahlt man bewusst nur mit Bargeld. «Für manche mag das unangenehm sein. Doch ist es leider so, dass sich viele Leute keine Gedanken mehr machen, wie sie ihr Geld ausgeben. Dass die Mehrwertsteuer bald um 0.4 Prozent steigen wird, zieht einen riesigen Rattenschwanz mit sich», erzählt er, «Ausserdem ist man ja heute nicht mehr geschockt, wenn die Technik mal wieder versagt. Aber ich verstehe das einfach nicht. Schliesslich hat es doch so lange auch anderst gut funktioniert.»

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«Genau wie bei Schuhen, ist es schön, dass auch wir Menschen nicht alle gleich sind – diese Vielfältigkeit macht unsere Welt, unsere Natur doch aus.»

Netflix statt Schuhwichs

Dass Roland etwas «stehengeblieben» (seine Worte) ist, zeigt sich nicht nur in seiner nostalgisch eingerichteten Manufaktur, sondern auch in der Tatsache, dass der Basler nur per Telefon erreichbar ist. «Einen Computer habe ich ebenfalls nicht; ich schwätz gärn mit de Lüt, was ja auch eine Art Dienstleistung ist.»

Und genau diese vermisst Roland, in Zeiten, wo sich Poststellen auflösen und die Leinwände der Kinos für immer verdunkeln, so sehr. «Wie gerne denke ich an die Anfangszeiten meiner Schuhmacher-Karriere Ende der Siebziger Jahre zurück. Was für eine schöne Kultur das noch war! Da traf man sich mit Freunden, ging gemeinsam Essen, ins Kino, unterhielt sich. Heute hocken sie mit Pommes Chips vor Netflix zuhause.»

Entsprechend bewusst bleibt Roland seinem Handwerk treu, arbeitet noch gleich wie vor 30 Jahren. Und das werde sich auch nicht mehr gross ändern. Selbst die Kasse sei noch immer die gleiche, laufe ohne Strom und ohne Batterien. «Nur die Kundschaft ist jünger geworden, und ich älter», blickt er auf die letzten 30 Jahre zurück. «Zudem haben die Sneakers definitiv eine neue Wende ins Schuhbusiness gebracht. Aber hey, auch die lassen sich reparieren. Ich habe diverse Farben zur Auswahl.»

«Früher war längst nicht alles besser und längst nicht alles gut. Heute gibt man jedoch deutlich schneller auf.»

Roland Meister wusste schon immer, dass er Handwerker werden und mit Leder arbeiten wollte. «Jetzt muss ich nur gesund bleiben. Denn ich habe vor, noch ein paar Jahre weiterzuarbeiten.»

Und das wünschen wir ihm genauso. Denn es ist schön, zu sehen, wie er – ähnlich wie ein Schuh – im gewohnten Trott weitergeht. Oder wie eine Karte an Rolands Wand passend zum Ausdruck bringt: Vor dem Schuh ist nach dem Schuh.

Die Schuhmacherei

Nadelberg 39

Öffnungszeiten:

Dienstag bis Freitag: 8 bis 12 Uhr & Samstag: 10 bis 12 Uhr

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