Eddie Hara: Noch nie gehört? Wir behaupten jetzt einfach mal: falsch. Denn bestimmt ist dir die bunte Glasfront vom früheren Terror Samba schon mal aufgefallen. Genau: Eddie’s Werk. Wir haben den 63-Jährigen zum Interview getroffen.

Hawaii-Shirt am Leib und runde Corbusier-Brille auf der Nase: Mit seinen gepiercten Ohren wirkt er wie ein ewig junger Paradiesvogel. Seine ruhige Art und seine Weisheit hingegen haben nicht nur eine zen-artige Auswirkung, sondern machen sie auch deutlich, dass Eddie Hara in seinen 63 Jahren schon Einiges erlebt hat. Vielleicht ist es gerade diese Mischung, die dazu führt, dass der Künstler mit seinem Schaffen insbesondere auch die junge Generation anspricht. Als wir den Basler, der ursprünglich aus Indonesien stammt, zum Interview treffen, kommt er gerade von einem grossen Job: «Ich bin erleichtert, denn soeben habe ich das Mural für den CBD-Shop ADAMS in der Steinenvorstadt zu Ende gebracht.» Womit Eddie während den vergangenen Covid-Monaten sonst noch beschäftigt war und was er gerne aus Indonesien nach Basel holen würde? Lese selbst!

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Eddie, auch du hast kein einfaches Jahr hinter dir: Wie hast du das 2020 überstanden?

Das letzte Jahr war wirklich nicht leicht. Ich selbst bin auch an Covid erkrankt. Glücklicherweise nicht allzu schlimm. Einmal mehr habe ich realisiert, wie dankbar ich bin für meine Familie. Wir haben uns gestärkt, ohne uns gegenseitig zu frustrieren. Finanziell war ich durch meine Ersparnisse zum Glück gut abgesichert. Als Künstler bist du es zudem gewohnt, viel alleine zu sein. Den Austausch mit anderen Menschen vermisse ich allerdings noch immer sehr. Ich bin deshalb extrem erleichtert, dass langsam wieder etwas Normalität einkehrt.

 

Es ist kein Geheimnis, dass du dich gerne vom Frust dieser Welt inspirieren lässt. Hat dich diese Krisensituation vielleicht sogar künstlerisch bereichert?

Die Einsamkeit ist auf jeden Fall ein Thema, dem ich mich vermehrt gewidmet habe. Diesbezüglich kann man also schon von einer gewissen Bereicherung sprechen. Meine Wut richtet sich grundsätzlich immer an die Gesellschaft und die Art, wie diese teilweise mit unserer Welt umgeht. Entsprechend war ich dankbar für diesen plötzlichen Stopp: Wir alle wurden dazu aufgefordert, endlich mal innezuhalten. Auf einmal war der Himmel klar und schienen die Vögel lauter zu zwitschern. Ausserdem wurde auch mir persönlich bewusst, wie viele Dinge ich eigentlich gar nicht brauche. Der Mensch ist es gewohnt, immer das zu bekommen, was er gerade benötigt. Heute hingegen ist nicht mehr alles sofort verfügbar; was deutlich macht, dass wir Menschen eigentlich geduldiger sind, als bisher angenommen.

 

Was hat dir in dieser Zeit am meisten gefehlt?

Die Art-Crowd. Und damit meine ich jetzt nicht nur die Partys. Für mich ist der Austausch mit Künstlern aus der ganzen Welt sehr wichtig. Klar, kann man sich auch online vernetzen, doch das ist nicht das Gleiche. Aber hey, dafür verkaufe ich jetzt sogar Werke über Instagram.

 

Ich liebe es, wenn Mütter ihren Kindern eine Geschichte über meine Arbeit erzählen.

Inwiefern hat sich deine Arbeit durch diesen Wandel verändert?

Bisher habe ich hauptsächlich alleine in meinem Atelier gearbeitet. In den letzten Monaten war ich jedoch vermehrt mit grösseren Wandgemälden beschäftigt. Ich bin nun also näher an den Menschen – und schätze dies sehr. Die Leute reagieren auf meine Arbeit. Ich liebe es, wenn Mütter ihren Kindern eine Geschichte über meine Arbeit erzählen. Alle sehen was anderes in meinen Werken. Und genau das ist mein Ziel: Kunst für alle zu schaffen.

 

Wie stellst du sicher, dass du den Sinn für die Realität nicht verlierst?

Die Tatsache, dass ich in Basel lebe, hält mich automatisch auf dem Boden. Basel ist eine dermassen kulturell reiche und gebildete Stadt, und dennoch sehr bescheiden. Die meisten kommen bereits in ihrer Schulzeit in den Genuss von Museumsbesuchen. Für uns in Asien bleibt dies ein Luxus. Trotz dieser kulturellen Grösse ist der Vibe hier viel entspannter als in Zürich, London oder New York. Ich beobachte sehr gerne, wie Basler Locals – auch Junge! – es häufig bevorzugen, ins Theater oder in ein Konzert zu gehen, anstatt sich ein neues Luxusobjekt zu kaufen. Das finde ich wunderbar!

 

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Gibt es etwas, das du dir gerne von deiner Heimat Indonesien herholen möchtest?

Mehr Gemeinschaftsleben in Basel – das fände ich toll! Ich würde es beispielsweise begrüssen, wenn es noch mehr Strassenfeste gäbe, wo private Leute für andere kochen, jeder sein Mobiliar rausbringt und man gemeinsam das Leben feiert.

 

Basel könnte definitiv mehr Grün vertragen!

Wo in Basel bewegst du dich am liebsten?

Ich liebe es, am Rhein spazieren zu gehen; am Tinguely- Museum vorbei und über die Brücke bis ins St. Alban. Dort fühle ich mich immer, als würde ich mich in der Vergangenheit bewegen. Plus ist es sehr grün dort. Basel könnte definitiv mehr Grün vertragen!

 

Was bedeutet dir dein Heimatviertel, das Kleinbasel?

Ich bin ein grosser Fan davon! Kleinbasel ist für mich das kleine Brooklyn. Vom Dealer bis zur Kreativen gibt’s hier Raum für jeden. Ich kann nicht verstehen, wieso gewisse Leute sich noch immer vor dem Kleinbasel fürchten.

Ich könnte mir beispielsweise nicht vorstellen, auf dem Bruderholz zu leben: Wer hilft dir dort bei einem Raubüberfall? (lacht)

 

Wenn du dich selbst zeichnen würdest, wie sähe das aus?

Ich bin wie ein alter Popeye – der Seemann, der eines Tages in den Armen der Frau Basel gestrandet ist. Happy, sicher und voller Inspiration! Gleichzeitig weiss er aber, dass er jederzeit wieder ans andere Ende der Welt segeln könnte. Zumindest bald wieder. Hoffentlich.

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Neues von Eddie Hara

Vom 9. September bis 14. November wird in der Kulturstiftung Basel H. Geiger | KBH.G das Kunst- und Buchprojekt «Music – A Conversation Through Song Titles» präsentiert, in welchem nationale und internationale Künstler*innen – unter ihnen Eddie Hara — zum Dialog eingeladen wurden. Gezeigt werden über 80 Songtitel-Konversationen – immer in Handschrift, manchmal mit Zeichnungen und zwölfmal als Neoninstallationen. Begleitet wird die Ausstellung von einem breitgefächerten Programm rund um das Thema Musik.