London Tea feiert seinen 125. Geburtstag. Ein guter Grund, das Thema Tee ein wenig zu beleuchten. Gesprochen wird mit Inhaber Matthias Bisang. Angestossen mit einem guten Darjeeling – dem Champagner unter den Tees.

Es ist 17 Uhr. Tausende traditionsverbundene Engländer bereiten sich gerade auf ihren Five o’clock Tea vor. Im Buckingham Palace nippt die Queen vornehm - Finger gespreizt, der Noblesse obliged – an ihrem Darjeeling. Mit Milch, gerührt, nicht geschüttelt. Bei so viel nostalgischem Vorstellungsvermögen schwingt die journalistische Schreibfeder fast von ganz allein. Nur fast. Denn natürlich braucht es Expertenwissen. Als erstes, um die Engländer ein klitzekleines bisschen von ihrem Sockel zu holen. Denn das Teetrinken haben sie zwar geadelt, doch ist die Qualität des Tees anscheinend gar nicht das Wichtigste.

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«In England bzw. Grossbritannien kommt es vor allem auf die richtige Farbe an, die sich ergibt, wenn die Milch eingerührt wird», klärt Teekenner Matthias Bisang auf. Er führt in dritter Generation die Firma London Tea und damit deren Erfolgsgeschichte fort: London Tea feiert dieses Jahr 125. Jubiläum. Da kennt man die Gepflogenheiten verschiedener Teenationen, bzw. -regionen. Zum Beispiel die der anderen Nordseeküste: «Die Ostfriesen schätzen einen guten Assam-Tee und geben oft nur einen Schluck Milch hinzu. Das Ganze wird mit einem Kandis in drei Schichten nacheinander genossen. Und 17 Uhr ist den Ostfriesen zu spät, sie geniessen ihren Tee lieber früher». Und die Schweizer?

Zudehmend jüngere Kunden haben die Gesundheitlichen Vorzüge von Tee gegenüber Kaffee schätzen gelernt.

Kultur der Tee-Vielfalt

«Tee trinken ist in der Schweiz zwar verbreitet, aber kein fest verankertes Kulturgut wie z.B. in anderen Ländern», weiss Matthias Bisang und serviert zum Interview einen exklusiven Darjeeling. Stilgerecht in dünnem Porzellan. Zum Queen-Moment fehlt nur noch die Milch. «In der Schweiz gibt es keine bestimmte Zeremonie, keine bestimmte Teesorte und auch keine bestimmte Zeit, an der Tee vorzugsweise getrunken wird. Vielmehr gibt es eine grosse Vielfalt an individuellen Vorlieben.» Und die liebe Milch? «Schweizer sind Puristen. Milch kommt seltener in den Tee als im Norden.» Klar, wenn etwas mit Milch getrunken wird, dann der Kaffee, die Schweiz ist eine Nation von Kaffeetrinkern. Das weiss auch der Teeexperte, der ebenfalls gerne mal mit einem Espresso fremdgeht. «Allerdings findet ein Umdenken statt», so Matthias Bisang, «weshalb wir zunehmend jüngere Kunden haben, die die gesundheitlichen Vorzüge von Tee schätzen und dem Kaffee vorziehen.»

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Und die Schweiz birgt aufgrund der vielen Mikroklimata einen grossen Reichtum an Kräutern und Heilpflanzen, die nicht nur in Kräuterbonbons Verwendung finden, sondern mit Vorliebe in der Teetasse landen. «Wir haben deshalb eine Reihe an Kräuterteemischungen mit unterschiedlichen gesundheitlichen Aspekten zusammengestellt.» Zum 125. Jubiläum mischen sich diese Kräuter mit Schwarz—und Grüntees zu wohlklingenden Namen wie Royal Ascot oder Jewel of Earl Grey.

Luft und Licht ist für Tee nicht

360 verschiedene Teesorten hat London Tea im Sortiment. Angefangen wurde 1896 mit gerade mal 12 verschiedenen Mischungen – Tees aus China, Ceylon und Indien. Schon damals wurde der Tee direkt ab Plantage importiert, um Aromaverluste zu vermeiden. Das ist bis heute wichtige Voraussetzung für qualitativ hochwertigen Tee. «Wir möchten wissen, wer hinter dem Tee steckt und wie der Tee angebaut wird – auch aus nachhaltigen Gründen.» Die Kunden schätzen das und kommen wieder. «Wenn jemand bei uns einkauft und erzählt, dass die Grossmutter damals im Rosshof schon Tee gekauft hat, ist das ein riesiges Kompliment für uns.» Im Rosshof war London Tea bis 1955, dann führte ein Grossbrand dazu, dass der Verkaufsladen auf den Spalenberg weichen musste. Dort findet man die Tee-Schätze bis heute. Die Produktion ist in Münchenstein. Hierhin kommen die Originalgebinde und werden in Säckchen umgefüllt.

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Tee sollte weder der Luft noch dem Licht ausgesetzt werden, weshalb wir beim Verkauf auf offene Dosen und Zellophan-Beutel verzichten.

«Tee sollte weder der Luft noch dem Licht ausgesetzt werden, weshalb wir beim Verkauf auf offene Dosen und Zellophan-Beutel verzichten», erklärt Matthias Bisang. «Der Kunde soll zu Hause das Teesäckchen öffnen und das volle Bouquet erleben.» Bouquet als Kriterium der Qualitätsbeurteilung? Lichtempfindlichkeit? Das erinnert an Wein. Und wie beim Wein, gibt es auch beim Tee in Verbindung mit Essen unterschiedliche Geschmackserlebnisse zu entdecken. Das wissen nicht nur Teesommeliers.

Tee passt dabei nicht nur gut zu Gebäck, in den südlichen Ländern wird Tee seit jeher zur Hauptmahlzeit getrunken. Das hat auch gesundheitliche Vorteile, Pu Erh- Tee zur Hauptmahlzeit unterstützt zum Beispiel die Verdauung. Die Schweiz im Tee-Umbruch. Wäre es da nicht endlich Zeit für eine Teezeremonie? Auf Schweizer Art? Matthias Bisang fände das gut – wird sich beim Teetrinken generell auch mehr Zeit genommen. «Vielleicht nicht zu überladen, aber mit ein wenig gutem Gebäck.»

Text: Dominique Simonnot

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