Endlich ist es so weit: Das Vorstadttheater hat seine Tore am neuen Standort am Allschwilerplatz geöffnet. Mit etwas Glück trifft man hier auch auf den Hausgeist. Zumindest aber auf seine Spuren ...

Am Anfang war eine Katze. Denn noch bevor das Vorstadttheater in die neuen Räumlichkeiten des Oekolampad eingezogen ist, hat sie ihre Spuren hinterlassen – mit dem perfekten Timing. Denn der «Tiger» kam beim Streichen, ist erst durch die frisch gestrichene schwarze Farbe auf der Bühne gestapft und anschliessend auf den helleren Boden im Flur abgebogen, wo die Spuren auf rätselhafte Weise plötzlich aufhören. «So haben wir unfreiwillig einen Hausgeist, denn zu sehen bekommt man die Katze eigentlich nie» schmunzelt Co-Leiter Matthias Grupp, der zusammen mit Gina Durler das Vorstadttheater leitet. «Gibt es etwas Charmanteres zum Auftakt?» Wohl kaum. Und irgendwie sind die Spuren ja auch ein verdeckter Hinweis auf all die anderen Spuren der Vergangenheit, die sich hier im Oekolampad finden. Spuren der sakralen Aura, die das Gebäude als Kirche einst umgab. Spuren aus der Art-déco-Epoche. Spuren vom Umzug. Und eben Spuren jener Mitbewohnerin, die während des Umbaus das Gebäude besetzte. Und als einzige wohl die ganze Transformation dieses Ortes miterlebte. Ach könnte sie doch nur erzählen. So bleiben einzig die menschlichen Überlieferungen und Erfahrungen. Und zumindest jenen, die den Um- und Einzug des Vorstadttheater betreffen, möchten wir hier Platz einräumen. Spulen wir dafür kurz zurück zum 13. Februar.

So ein Umzug geht nie ohne weinendes Auge.
Gina Durler, Co-Leiterin Vorstadttheater

By bye St. Alban!
Ein paar Tage vor dem Umzug stapeln sich nicht nur überall Kartons, Kisten & Kostüme, sondern auch zahlreiche Teile der Theatertechnik. In den Ecken, auf der Bar, auf der Bühne und überall sonst. Viel schwarzes Metall und viele schwarze Kabel liegen auf dem Boden. Das einzelnes Piano wirkt ziemlich fehl am Platz. Als hielte es krampfhaft an der Vergangenheit fest, zu deren Glanz es ja beitrug. Genau wie die bunten Kostüme, die auf einem Tisch aufgebahrt liegen. Am Eingang winkt das einstige Willkommensschild zum Abschied – das Vorstadt-Auge sieht traurig aus. Technikleiter Ingo Weisner steht mit einem Lernenden auf der Leiter und montiert noch mehr schwarzes Metall ab. Samara Leite Walt, verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit, und Co-Theaterleiterin Gina Durler bringen erste Kartons aus dem Büro im ersten Stock. Denn das ist schon länger kein Büro mehr, hier bestimmt geordnetes Chaos die Szenerie. Wie sollte man hier auch arbeiten? «Im Moment geht es hauptsächlich um den Umzug», bestätigt Samara Leite Walt. «Aber bald müssen wir neben dem Einzug und Aufbau auch die Premiere vorbereiten. Und währenddessen müssen die Schauspieler noch proben.» Klingt nach einigen Herausforderungen. Was die Stimmung betrifft, kann man sich selbst als Besucher nur schwer wehren gegen diese typische Melancholie und Schwere, die einen erfasst, wenn die Zelte an einem geliebten Ort abgeschlagen werden. Eigentlich will man den Umzug nur so schnell wie möglich hinter sich bringen. «So ein Umzug geht nie ohne weinendes Auge», bemerkt Co-Leiterin Gina Durler. «Mittlerweile sind wir aber total auf den neuen Standort fokussiert und freuen uns nur noch.» Trotzdem, die Wehmut und auch die Müdigkeit sind beiden deutlich anzumerken. 

Hello Allschwilerplatz!
Schon ein paar Wochen später treffen wir am neuen Standort eine zufriedene und fröhliche Samara Leite Walt vor dem Eingang des Oekolampad. Offensichtlich hat alles geklappt. «Es ist wunderbar hier. Wir haben plötzlich so viel Platz, vor allem in die Höhe», schwärmt sie. «Da kamen wir vorher schnell an die Grenzen des Machbaren. Statt vorher 90 Leute haben am neuen Standort nun 130 Gäste Platz. Und wir haben auch einen tollen Meetingraum.» Der wirkt tatsächlich ziemlich einladend mit seiner grossen Fensterfront. Auch die grosszügige Probebühne ist ein Novum, war das Vorstadttheater vorher ein Einraumtheater. Man fühlt sich sofort wohl in dieser geschichtsträchtigen und mit viel Sorgfalt renovierten Umgebung. Die Einrichtung – von den Lampen bis zur Bar – ist perfekt auf den historischen Ort abgestimmt. Im Eingang des Theaters laden modulare Bänke – recycelt aus den ehemaligen Stühlen – zum Verweilen ein. Und genau das will man hier auch: die Umgebung geniessen, Nostalgie aufkommen lassen, den Duft nach Holz und erfolgreicher Wiederbelebung einatmen. War das Oekolampad, das 1931 als Kirche eingeweiht wurde, ja schon immer ein Ort der Kontemplation. Die alte Holzkanzel und die Kirchenorgel zeugen noch davon.

Matthias Grupp, Co-Leiter des Vorstadttheaters, freundet sich langsam mit den Vorzügen des neuen Standorts an.

Magie auch bei der Premiere
Bei unserem letzten Besuch sind es noch vier Wochen bis zur Eröffnung am 20. April. Als Premierenstück wird «Merlin oder das wüste Land» aufgeführt. Nach der Vorlage von Tankred Dorst unter der Mitarbeit von Ursula Ehler. Auf der Hauptbühne wird fleissig geprobt, professionelle und Laienschauspieler im Alter von 8 – 70 Jahren üben gerade den Hoftanz. «Es ist Wahnsinn, welche Verschränkung wir dadurch auf der Bühne haben.» Co-Leiter Matthias Grupp meint damit die Durchmischung und auch die Möglichkeit, eine Person – wie z.B. Artus – in unterschiedlichem Alter darzustellen. Doch fällt gerade vor allem die Verschränkung der Körper auf, denn es geht teilweise ziemlich akrobatisch zu, Körper gehen in die Luft und wieder runter. Die Stimmung ist extrem ausgelassen, insbesondere die Kinder scheinen viel Spass zu haben. Hat der Ort einen Einfluss darauf? Sind alle hier glücklicher?

Hier ist alles etwas offener, grösser, höher und moderner.
Matthias Grupp, Co-Leiter Vorstadttheater

Matthias Grupp kann sich das durchaus vorstellen. «Wir sind eigentlich immer eine ausgelassene Gruppe. Aber klar, vielleicht spielt die neue Location eine Rolle, die macht es einem leicht, sich wohlzufühlen. Hier ist alles etwas offener, grösser, höher und moderner.» Dann gerät der Co-Leiter ins Schwärmen: «Besonders schön ist, wie dieser Ort belebt ist mit anderen Menschen, v. a. durch den Quartierstreff, das Bistro, den Platz.» Also schon angekommen? «Na ja, das ist nicht anders, wie wenn man persönlich umzieht: bis man richtig ankommt dauert es ein wenig. Jetzt geht es vor allem darum, diesen neuen Ort mit Leben zu füllen und ihn kennenzulernen.» Und als brauchte der Ort ihn nun nach der Wiederbelebung nicht mehr, hat sich auch der Hausgeist verabschiedet: vermittelt durch Hausmeister Drago hat die Katze inzwischen ein neues Zuhause. Doch ihre Spuren bleiben und geben weiterhin Rätsel auf.

Merlin und das wüste Land

Im Stück ist Merlin ein Kind des Teufels und einer Clownin und erhält vom Vater den Auftrag, die Menschen zum Bösen zu befreien. Doch das menschliche Kind widersetzt sich und gründet mit Artus und Konsorten wie Parzifal die Tafelrunde, um eine gerechtere Gesellschaft zu verwirklichen.

Das Stück läuft noch bis zum 2. Juni.

vorstadttheaterbasel.ch