Diese Weite, diese Ruhe, dieses leichte Windchen ist einmalig. Wer das Lido auf dem Lysbüchelareal im St. Johann betritt, legt die Alltagssorgen von einem Moment auf den anderen ab und macht am Hemd ganz automatisch die obersten Knöpfe auf. Genauso entspannt und gelassen empfangen uns auch zwei der Macher vom Lido Basel: Fabio Salerno und Till Schmidlin. In buntem Sommerhemd, mit Sonnenbrille und einem gesunden Teint. Wir setzen uns an einen der Tische, beobachten das bunte Treiben um uns herum und trinken Panaché mit Eis. Das pure Glücksgefühl. «Es gibt so Momente, in denen ich denke – so geil haben wir das alles einfach gemacht», sagt Fabio und blinzelt in die Sonne. «Schau dich nur mal um», meint Till, «hier treffen sich die Leute zum Aperölen, zum Beachvolleyball-Spielen, zu Boccia oder Padel-Tennis, entspannen auf den Liegestühlen, die Kids spielen im Sand und alle haben einfach eine gute Zeit. Das ist für uns das Schönste!», sagt Till. «Mir geht’s genauso», fügt Fabio an, «ich bin so gerne hier. Für mich fühlt es sich an wie Ferien.»
Erst die Arbeit, dann das Vergnügen
Doch starten wir von vorn. Fabio Salerno ist Teil von Squadra Violi – einer Gruppe von Jungs, deren Spezialität die authentische und handgemachte Produktion von Ravioli ist. In Vergangenheit hat Squadra Violi schon verschiedene Gastrolokale geführt und die Gäste mit ihren Ravioli verwöhnt. Till Schmidlin hingegen ist Mitgründer der Kletterhalle ELYS Boulderloft im St. Johann. Was Till und die Jungs von Squadra Violi verbindet? Eine gemeinsame Wohnung, die Freude am Padel-Tennis und die Vision, diese trendige Sportart, mehr Menschen zugänglich zu machen. Als nun die SBB als Eigentümerin des ehemaligen Güter- und Industrieareals Lysbüchel die brachliegende Kiesfläche zur Zwischennutzung ausschrieb, ehe hier in Zukunft ein neues Kleinquartier entstehen soll, lag die Chance griffbereit auf dem Tisch. In der Folge wurde der Verein Padelys (heute LIDO Sports Club) gegründet und ein 8-köpfiges Team aus weiteren Padel-Enthusiasten und Freunden zusammengestellt. Till, Fabio und Co. schafften es, die SBB von ihrer Idee zu überzeugen, während der Zwischennutzungsphase von 2021 bis voraussichtlich 2024 ein Lido nach italienischem Vorbild zu bauen mit Sportanlagen, Bar, Liegestühlen, Sonnenschirmen, Sand – einfach allem, was zu einem Lido, also einer Art Strand-Bad, dazugehört. Nur das Meer konnte nicht hergezaubert werden. Doch die exotische Dusche weckt genauso Feriengefühle.
Es gibt so Momente, in denen ich denke – so geil haben wir das alles einfach gemacht! Fabio Salerno
Wer jetzt denkt, die Jungs hätten einfach eine Baufirma engagiert, die die ganze Arbeit für sie erledigte, liegt so was von daneben. «Wir haben das Glück, dass wir ein wahnsinnig vielseitiges Team sind», betont Fabio. «Planung, Bau, Finanzen, Grafik, Kommunikation – jeder von uns hat seine Stärken.» «Wir haben eigentlich alles selbstgebaut», fügt Till an. «Abgesehen von einzelnen Baumaschinen, die wir nicht bedienen durften oder der Elektrik, haben wir überall selbst angepackt.» Unfassbar. Stellt man sich die vormals brache Kiesfläche vor und blickt nun auf das lebhafte Sommerparadies, ist man einfach nur beeindruckt. Und stellt sich unweigerlich die Frage, wie verrückt man sein muss, um dieses Projekt ganz alleine zu realisieren? Fabio lacht und sagt: «Wir haben sicher alle einen ab, im positiven Sinne. Doch schlussendlich brauchst du nur Zeit und etwas Geld.» Till erläutert: «Natürlich hatten wir anfangs etwas Bammel, lastete das finanzielle Risiko durch eigene Investitionen doch auch auf unseren Schultern. Dass wir dann aber die Christoph Merian Stiftung schon sehr früh als finanzielle Unterstützung ins Boot holen konnten, stärkte unseren Glauben ans Projekt und motivierte uns gleichzeitig, uns voll und ganz ins Zeugs zu legen. Das grösste Risiko bestand eigentlich nur darin, dass wir unsere Zeit vergeuden.»
Vergeudete Zeit? Auf keinen Fall!
Der Blick in die vielen Gesichter der Gäste im Lido, auf den Liegestühlen, auf der Boccia-Bahn, dem Beachvolleyfeld oder dem Padel-Court machen schnell klar: Nein – von vergeudeter Zeit kann hier definitiv keine Rede sein. Die Stimmung – sie stimmt einfach und macht jegliche Sekunde der geleisteten Arbeit wett. «Hey, Fehler!», ruft Fabio auf einmal den Beachvolleyball-Spielern zu. «Du darfst das Netz nicht berühren!», lacht er und der Spieler – auf frischer Tat ertappt – lacht verschmitzt zurück. Klar, wenn Till und Fabio übers Lido spazieren, werden sie von allen Seiten angesprochen. Mal hat der Pizzaiolo eine Frage, mal werden sie von Freunden zu einem Glas Rosé eingeladen, mal fliegt ein Spruch in die eine oder die andere Richtung. Sie erinnern in ihrer Rolle an einen Bagnino – die charmanten Bademeister an den Stränden Italiens, die zu jeder Sekunde den Überblick über ihren Strandabschnitt behalten und gleichzeitig auch immer Zeit für einen lockeren Spruch haben. «Wir nehmen gerne die Gastgeberrolle ein – das liegt uns», lacht Fabio und wir glauben ihm.
Wir haben eigentlich alles selbstgebaut. Till Schmidlin
Nochmals zurück zum soeben angetroffenen Pizzaiolo. Das kulinarische Konzept vom Lido Basel besteht darin, jungen Gastronomen eine Plattform zu bieten. Pro Saison sind rund 4-5 verschiedene Anbieter vor Ort, die hier erste Erfahrungen sammeln können. «Wir geben hier Einzelmasken eine Chance und möchten sie unterstützen», erläutert Till. «Das ist mega cool. So haben wir beispielsweise jemand, der Tacos anbietet, der bisher im Informatik-Bereich gearbeitet hat.» Und was ist mit den hauseigenen Ravioli der Squadra Violi? «Die gibt’s hier nicht», antwortet Fabio, «wir geben viel lieber anderen eine Möglichkeit, sich zu zeigen.»
Viel Goodwill und Gemeinschaftssinn
Das Lido Basel – es ist nicht nur Drinks und Party. Es ist auch Boccia, Beachvolleyball, Padel und Plattform für junge Gastrokonzepte. Neu gibt’s diesen Sommer sogar eine eigene Velo-Werkstatt. Dass all das innert kürzester Zeit regelrecht aus dem Boden gestampft und realisiert werden konnte, sei nicht selbstverständlich, betont Till. «Es hat alles so gut funktioniert, weil wir unheimlich viel Glück und Unterstützung erhalten haben. Firmen, die uns ihre Dienstleistungen nicht verrechnet haben, weil sie auch etwas zu diesem einmaligen Ort beitragen wollten. Freunde, die uns beim Malen und Bauen geholfen haben.» «Oder auch zufällige Begegnungen», fügt Fabio an. «So kam beispielsweise Sam Keller, Direktor der Fondation Beyeler, auf uns zu und bot uns die Holzstege aus der vergangenen Ausstellung zu Olafur Eliasson an, welche zuvor durch das mit grün eingefärbtem Wasser geflutete Museum führten. Daraus haben wir dann unsere Sitzpodeste gebaut.»
Mit Mut, Glück und viel handwerklichem Geschick ist hier auf dem Lysbüchelareal ein echtes Sommerparadies entstanden. Das Lido Basel zeigt, wie gut Zwischennutzung funktionieren kann und bleibt auch in seinem zweiten Jahr ein Geheimtipp. Ein Geheimtipp, der befristet ist und den man danach wie eine wunderschöne Ferienerinnerung für immer im Gedächtnis trägt.
Text & Bilder: Nicola Mathis