Es läuft bei Corinne Grüter. Die Inhaberin von SET&SEKT hat eben ihr drittes Kind geboren. Nun erzählt sie frisch und fröhlich, wie sie mit Schnuder auf Kaschmir umgeht, was an ihr spiessig ist und warum sie niemals wieder eine Kollektion nähen wird.

Als ich Corinne Grüter in ihrem Laden am Rümelinsplatz treffe, trägt sie ihren nur wenige Wochen alten Sohn Nestor auf dem Arm. Es ist ihr dritter. Die älteren zwei sind drei und fünf Jahre alt. Ich frage, wie müde sie ist, auf einer Skala von 1 bis 10. «Sechs, sieben vielleicht. Es geht also», antwortet sie schmunzelnd. «Aber frag mich in drei Monaten nochmal …» Die Erschöpfung sei nach der Geburt ihres ersten Sohnes enorm gewesen. Den Rhythmus zwischen Geschäft und Familie zu finden eine Mammutaufgabe. «Ich bin extrem effizient geworden.» Sagts und legt das Baby zum Trinken an die Brust. Stillen und reden geht problemlos gleichzeitig. «An drei Tagen war ich im Laden präsent, den Rest – Recherche, Rechnungen, Löhne, all das erledigte ich von daheim.» Abgeben ist nicht so Corinnes Ding. Selbermachen dafür sehr. «Allerdings», betont sie «habe ich jetzt zum ersten Mal eine Stellvertreterin. Ohne sie ginge es nicht. Überhaupt: Ohne mein wunderbares Team könnte ich den Laden mit drei Kindern unmöglich weiterführen. Und auch nicht ohne meinen Mann, der mich zu Hause extrem unterstützt.» 

Man sagt ja, Kreativität entstünde aus dem Chaos. Nicht bei mir.

Mitte 20 war Corinne Grüter, als sie ihren Concept Store SET&SEKT eröffnete. Damals hatte sie eben erfolgreich ihr Modedesign-Studium abgeschlossen. Mit einer Kollektion, die sie an der Abschluss-Modeschau präsentierte. Es war ihre erste und letzte Kollektion. «Die Nähmaschine und ich kamen nicht miteinander klar. Für sowas habe ich keine Geduld», schmunzelt sie. Eine Modedesignerin, die nicht gerne näht? «Ich war nie eine typische Modedesign-Studentin», lacht Corinne. «Man sagt ja, Kreativität entstünde aus dem Chaos. Nicht bei mir. Ich war immer sehr organisiert und auf den Punkt. Zum Designen fehlte mir das Talent, das wusste ich, aber es war mir egal. Weil mir immer klar war, was ich eigentlich wollte: Einen eigenen Laden.» Diesen führt sie nun seit 16 Jahren. Ihr Studium war ihr dabei eine grosse Hilfe. Es lehrte sie alles über Modegeschichte, Materialkunde oder Schnitte und vermittelte ihr Kontakte, dank denen sie von Anfang an die Stücke aufstrebender Designer im Laden verkaufen konnte.  

Wir drängen niemandem etwas auf. Wer hier rausgeht, soll sich gut fühlen.

Dabei war sie eigentlich nie ein typisches Modemädchen. Aufgewachsen im Luzerner Hinterland fuhr sie mit dem Töffli ins Gymi. Bei Wind und Wetter und «sogar, wenn die Zündkerze am Arsch war». Zwar experimentierte sie gerne mit Kleidern («aber gell, schlimme Kleider, jessesgott!»), interessierte sich ansonsten aber eher für bildende Kunst. Während einem Praktikum in New York habe sie sich die erste Acne-Jeans geleistet. Da war sie Anfang 20. Kurze Zeit später vertrieb sie als eine der ersten Acne Studios in der Schweiz. Bis heute sind es Marken wie Acne Studios, aber auch Dries Van Noten, Christian Wijnants oder Sofie D’Hoore, welche die Kundinnen und Kunden bei SET&SEKT lieben. Neben der persönlichen Beratung. «Uns geht es nicht nur darum, einen Pullover zu verkaufen», erklärt Corinne. «Wir drängen niemandem etwas auf. Wer hier rausgeht, soll sich gut fühlen.» Nur wer sich in einem Stück wirklich gefällt, zieht es auch an. Und je öfter ein Kleidungsstück getragen wird, desto mehr rechtfertigt sich der Preis. Corinne besitzt nur noch Kleider von SET&SEKT. Sie gehe nicht gerne shoppen, sei mit dem Angebot in den Läden komplett überfordert. Freilich; in die Küche stellt sie sich mit ihren eleganten Geschäftskleidern nicht. «Zuhause trage ich meine Homeware», verrät sie. ‘Homeware’, das sind für Corinne die älteren Teile aus ihrem Laden. Auch bequeme Kaschmir-Combos, die sie in allen möglichen Farben habe. Und wenn da mal einer die Schnudernase dran abwischt? «Kann man alles bei 30 Grad maschinenwaschen – ist eben Qualität» grinst Corinne. Sie ist nicht nur effizienter, sondern auch pragmatischer geworden. 

Ich mag das Traditionelle sehr!

Der kleine Nestor beginnt zu meckern. Corinne gibt ihm die zweite Brust. Hinter ihr hängt ein Wintermantel an der Tür. «Nach drei Jahren im selben Mantel ist es heuer Zeit für einen anderen.» Es muss nicht immer das Neuste sein bei Corinne. Trends interessieren sie sowieso nicht. Für den Einkauf im Laden reist sie viermal im Jahr nach Paris. Acht bis zehn Brands besucht sie dort jeweils pro Tag – ein kleiner Marathon, aber eben: effizient. Damit ihr nicht wieder alles zu viel wird, wie auch schon. Und damit sie Zeit für ihre Familie hat. Denn Familie kommt bei Corinne zuerst. Mit ihr wohnt sie in einem Häuschen mit Garten beim Dreispitz. «Ich mag das Traditionelle sehr, koche auch gerne. Stroganow zum Beispiel oder Spaghetti Carbonara, aber die echten ohne Rahm natürlich! Daheim bin ich eine totale Spiesserin.» 

Es rumst. Der kleine Nestor hat verdaut. Eine frische Windel drängt sich auf, das Gespräch findet ein Ende. Schade, denn mit Corinne könnte ich noch ewig weiterplaudern, so sympathisch offen und unverblümt erzählt sie. Zudem mag ich ihren Pragmatismus. Während sie mir für das Gespräch in Birkenstock-Sandalen gegenübersitzt, zupft sie für das anschliessende Fotoshooting kurzerhand die schicken Schühchen aus dem Kinderwagen. Drei Kinder und ein Geschäft, das weit über die Grenzen der Stadt hinaus für seine fein kuratierte Mode-Auswahl bekannt ist – Corinne muss Superwoman sein. Gibt es dennoch eine Superkraft, die sie sich derzeit wünschen würde? Klare Sache: «Eine dritte Hand!»