Der erste Wackelzahn, die erste Autofahrt ohne Fahrlehrer oder der erste eigene Lohn – erste Male sind denkwürdig, jedoch mit fortschreitendem Alter selten. Wie schön, kann man dennoch hin und wieder neue Erfahrungen machen, die positive Erinnerungen hinterlassen. Ich war neulich erstmals Blutspenden. Und das fühlte sich sehr, sehr gut an.
Das findet sich im Markgräflerhof an der Hebelstrasse – notabene dem ältesten Barockpalais der Schweiz. Das historische Gebäude von innen zu sehen wäre eigentlich Grund genug, sich zur Blutspende anzumelden, doch es gibt noch bessere Argumente. Zum Beispiel das gute Gefühl, etwas Heldenhaftes zu tun. Mit meinen roten Blutkörperchen, dem Plasma und den Thrombozyten rette ich schliesslich Leben. Überdies gibt’s Punkte auf mein Blutspendenkonto, die ich sammeln und gegen Gutscheine für Zolli oder Kino einlösen kann. Viel wichtiger jedoch ist die Tatsache, dass mein Blut bei der Spende auf alle möglichen Krankheiten untersucht wird. Ich erhalte also mit jeder Spende einen Gesundheits-Check. Kostenlos.
Das gespendete Blut wird zum Medikament, zum Heilmittel. Deshalb müssen wir absolut sicher sein, dass es sauber ist. Andreas Buser, Chefarzt und Geschäftsführer des Blutspendezentrums
Haarausfall, Akne oder Tattoo?
Doch beginnen wir am Anfang. Da steht ein monströser Fragebogen. Man will von mir wissen, ob ich je eine Gehirnoperation hatte, ob ich mich neulich tätowieren liess und ob es in den letzten Monaten sexuellen Kontakt unter Einfluss synthetischer Drogen gab. Mein Leben ist wenig dramatisch, darum: Nein. Nein. Nein. Nicht einmal Medikamente gegen Akne nehme ich – das Alter hat auch Vorteile. Was es mit den vielen persönlichen Fragen auf sich hat, will ich von Prof. Dr. med. Andreas Buser, Chefarzt und Geschäftsführer des Blutspendezentrums, wissen.
«Medikamente gegen Haarausfall oder Akne können im Blut mittransferiert werden und bei schwangeren Frauen für den Fötus toxisch sein. Bei den anderen Fragen geht es oft um Krankheiten wie HIV, Hepatis oder Creutzfeldt-Jakob», erklärt er. «Das gespendete Blut wird zum Medikament, zum Heilmittel. Deshalb müssen wir absolut sicher sein, dass es sauber ist. Das Blut jeder Spende wird deshalb immer auch auf diverse Viren untersucht.» Andreas Busers Auftreten ist freundlich, warmherzig und ruhig. Und: Man sieht ihm den Schalk an. Eine überaus sympathische Kombination. Auf die Frage, ob er sich an seine eigene erste Blutspende erinnern könne, antwortet er schmunzelnd: «Natürlich!», kramt kurz in einem Schränklein und drückt mir einen vergilbten Blutspendeausweis in die Hand. «Student» steht da drauf und «26. Januar 1994». «Reizend, oder?», grinst er. «Ein Kollege hat mich damals zur Blutspende mitgenommen. Am Abend gingen wir ins Hirschi. Das war ein Fehler. Ich weiss noch, wie ich singend und schlingernd nach Hause kam.»
Heute hat er Kreditkarten-Format – der Blutspendeausweis von Andreas Buser aus dem Jahr 1994 ist noch etwas grösser.
«Meine Blutgruppe ist der Grund, weshalb ich hier der Chef bin»
Seither hat Andreas Buser viele Liter Blut gespendet. Auch, weil er mit der Blutgruppe 0 negativ ein begehrter Mann ist. Zwar beteuert er, dass man im Blutspendezentrum mit jeder Blutgruppe begehrt sei, dennoch kann nur 0 negatives Blut für sämtliche Transfusionen verwendet werden. «Meine Blutgruppe ist der Grund, weshalb ich hier der Chef bin», erklärt Doktor Buser mit ernster Miene. «Sie ist meine einzige Qualifikation». Da: Lachfältchen. Ohne seine drei Facharzt-Titel – er ist ausgebildeter Hämatologe, Internist und Stammzellen-Transplanteur – wäre er nach seinem Post-Doc in Transfusions-Medizin 2008 wohl kaum für die Leitung des Blutspendezentrums angefragt worden. «Damals war ich 36 und träumte nicht wirklich davon, Chef dieses Ladens zu werden», gibt er zu. «Doch dann traf ich auf dieses grossartige Team, das mich bis heute hier hält … Zudem bin ich auch noch am Unispital angestellt als Hämatologe und mache Nacht- und Wochenenddienste in der Transplantations-Abteilung. Das ist wichtig, damit ich nicht vergesse, wie der Hase läuft.» Man möchte umgehend mit dem Doktor Professor ein Bierchen trinken gehen.
Über 15'000 Spenden generiert das Blutspendezentrum pro Jahr – rund 7'000 Liter Blut werden abgezapft und kommen am Unispital Basel, im Kinderspital, im Kantonsspital Baselland oder im Claraspital zum Einsatz. Für Chemotherapien, Unfallopfer, bei Operationen mit Blutverlust oder Stammzellentransplantationen. Laufend wird Blut gebraucht, jedoch nicht immer steht genug zur Verfügung. «Schwierig wird’s jeweils in den Sommerferien, in der Erkältungssaison und an Weihnachten», so Andreas Buser. Zusätzliches Problem: Das Erythrozytenkonzentrat, das aus den roten Blutkörperchen gewonnen wird, ist maximal 42 Tage haltbar. Es braucht also laufend frisches Blut.
450 Milliliter Blut und eine Suppe
Spenden darf man jedoch nur alle drei bis vier Monate – je nach Geschlecht. «Das hat nichts mit Diskriminierung zu tun, sondern mit dem Eisenwert, der bei Frauen wegen dem Blutverlust während der Menstruation grundsätzlich tiefer liegt. Wer zu oft spendet riskiert einen Eisenmangel», erklärt Andreas Buser. Auf der Website des Blutspendezentrums findet man einen Schnelltest, der verrät, ob man zur Spende geeignet ist. Ich bin’s. Und ein wenig nervös bin ich auch. Doch die Warmherzigkeit und Fröhlichkeit, die ich beim Chef erlebt habe, scheint im gesamten Blutspendezentrum verbreitet zu sein. Abgesehen vom weissen Outfit des Betreuungspersonals erinnert hier gar nichts an Spital. Es wird gescherzt und gelacht, ich sehe durchwegs freundliche Gesichter und fühle mich in der entspannten Atmosphäre sofort wohl.
Mit hochgelegten Füssen vertiefe ich mich auf dem Blutspendesessel in die imposanten Stuckaturen an der Decke der einstigen Hof-Kapelle, während sich eine Dame an meinen Venen zu schaffen macht. Bevor ich auch nur einen Gedanken zu Ende bringen kann, piept’s und blinkt’s an meiner Zapfsäule. Irgendwas scheint schief zu laufen, ich fürchte, bald spritzt das Blut – aber nein, gar nichts spritzt, mein Beutel ist voll. «7 Minuten 22 – ein guter Mittelwert», meint die Blutentnahme-Dame lächelnd und zeigt mir die 450 Milliliter Blut im Beutel. Sieht schön aus. Ich bin ein wenig stolz. Druckverband in die Armbeuge, «noch etwas liegenbleiben, viel trinken und kein Sport mehr heute», werde ich instruiert. Als ich schliesslich aufstehe, um in der Caféteria noch eine warme Suppe zu essen (ebenfalls kostenlos, übrigens) fühle ich: Nichts. Kein Schwindel. Kein Herzrasen. Keine wackligen Beine. Nur das wohlige Glücksgefühl eines ersten Males, das garantiert nicht das letzte gewesen sein wird.
Lust auf eine gute Tat?
Das Blutspendezentrum freut sich auf Menschen, die Blut spenden. Ob im Spendezentrum Basel, im Blutspendebus, der regelmässig in Liestal, Birsfelden, auf dem Dreispitz, dem Marktplatz oder dem Barfi vorfährt oder an einer Blutspendeaktion in der Region. Neben einer Vollblutspende können auch Blutplättchen gespendet werden.